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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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immer noch in der Hand hielt. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, irgendwelche fremden Leute einzuladen? Es klopfte wieder, diesmal fordernder.
    »Ey!«, brüllte jemand. »Julius!«Stunden später hatte die Horde von Julius' Bekannten nicht nur den Nudelsalat und meine Käsewürfel aufgefressen, sondern auch den Kuchen und so ziemlich alles, was sich im Kühlschrank befunden hatte. Der Grill war nicht zu gebrauchen gewesen, und so hatte irgendjemand die Bratwürste in einer Pfanne gebraten. Fett glitzerte auf dem Boden, am Herd und an der Wand. Eine Wurst war heruntergefallen und lag plattgetreten neben Kippen auf dem Boden. Ein grotesker rosa Fladen. Es lag wohl daran, dass fast nur Jungs gekommen waren, Bekannte von Julius. Seltsame Typen, laut und nervig, die zum Teil schon angetrunken hier aufgetaucht waren. Überall saßen sie herum – im Treppenhaus, in der Küche, im Garten. Julius war schon ziemlich hinüber, er fiel allen um den Hals und schenkte ungefragt die Gläser zu voll. Claire verschwand immer wieder in ihrem Zimmer, sie war seltsam ruhelos, ich selbst blieb nüchtern und hörte mir eine Weile lang Janeks Monolog über sein Traumauto an, während meine Gedanken immer wieder abdrifteten. Eigentlich wartete ich nur.
    Auf jemand ganz Bestimmtes.
    Ich tigerte hin und her, ging schließlich noch mal ins Bad, weil da der einzige vernünftige Spiegel im Haus hing. Die Tür war nicht abgeschlossen und ich tappte geradewegs in eine Szene hinein, die ein Flashback der gestrigen Nacht hätte sein können. Nur, dass es diesmal Stefan war, an dem Lauren klebte– mit dem Rücken zu mir. Und dass Laurens Rock so weit hochgeschoben war, dass ich ihren nackten Hintern sehen konnte.
    Ich stand einen Moment lang da wie schockgefroren, dann stolperte ich rückwärts hinaus und zog die Tür mit einem leisen Klappen hinter mir zu. Lauren hatte mich nicht mal bemerkt. Stefans Grinsen hingegen war eindeutig gewesen. Völlig durcheinander ging ich in die Küche und goss mir ein Glas selbst gemixtes Irgendwas ein, von dem ich sofort husten musste.
    »Geile Hütte«, sagte jemand neben mir. Ein Typ, der seine Beine auf einen Stuhl gelegt hatte und seine Asche in die Nudelsalatschüssel stippte. »Julius hat echt Glück mit seinem Alten.«
    »Hmm«, machte ich matt.
    »Zeig mir doch mal dein Zimmer«, sagte er mit einem Grinsen.
    »Was?«
    »Du hast doch bestimmt ein gemütliches Zimmer, oder? Hier sind so viele Leute.«
    »Mein Zimmer lassen wir mal lieber in Ruhe.« Das fehlte gerade noch.
    Er zuckte gleichmütig mit den Schultern und sah sich um. Die Zigarette verglomm zischend in den Essigresten.
    »Mann, Mann, die müssen einen Haufen Kohle haben. Und das nach allem, was Julius sich geleistet hat. Mein Alter flippt schon aus, wenn ich nur malmit seinem kostbaren Scheißauto Milch holen will!«
    »Wie meinst du das?«, fragte ich, hellhörig geworden.
    »Ich meine die Harley Davidson von Julius, Baby. Die er zum Abi geschenkt bekommen und zwei Tage später zu Schrott gefahren hat.«
    »Ach.« Mehr brachte ich nicht heraus.
    »Genau. Ach! Das hat der alte Behnisch auch gesagt. Nur ein bisschen lauter!« Er lachte albern. »Das war echt eine geile Karre. Aber jetzt gibt's nur noch Fahrräder für den guten Julius. Ist sowieso besser. Für die Umwelt.« Er rappelte sich plötzlich auf und stierte mich intensiv an, offenbar wollte er mit einem Gespräch über Luftverschmutzung sein versoffenes Image wieder geraderücken.
    Richter Behnisch und sein missratener Sohn. Ich beugte mich zu dem Typen hin. »Wann war das denn?«, flüsterte ich.
    Seine ausdruckslosen Äuglein leuchteten erwartungsvoll auf. Er flüsterte ebenfalls: »Na, voriges Jahr, als er komplett zugedröhnt rumgefahren ist.«
    »Zugedröhnt?«
    »Du weißt schon. Sein kleines Problem.« Er vollführte eine Handbewegung, als ob er sich eine Tablette in den Rachen warf. »Danach musste er doch ein paar Wochen in Rehab.« Er sprach es »Riehepp« aus.
    »Ach so, das«, flüsterte ich benommen.
    Er blies mir seinen Bieratem ins Gesicht. »Was ist denn nun mit deinem Zimmer?«
    Ich stand auf. Durch das Küchenfenster hatte ich jemanden kommen sehen. Lars.
    »Ist heute geschlossen.«
    Wir setzten uns in den Garten hinaus, schräg gegenüber von Jule und ihren Freunden, die den ganzen Abend auf ein und demselben Platz zu verharren schienen, verstört an ihren Gläsern nippten und die tumultartigen Verbrüderungsszenen von Julius und seinen Kumpanen beobachteten.

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