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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Gerade hatte sich einer das orange Verkehrshütchen auf den Kopf gesetzt. Janeks Hemd hatte einen nassen Fleck, garantiert nicht von ihm selbst verursacht. Lauren saß mit unglücklichem Gesicht auf der Steinbank, neben ihr Claire, die leise auf sie einredete. Mir fiel auf, dass Claire heute Abend gut aussah, sie strahlte regelrecht. Vorhin hatte sie mir zugezwinkert und »Süß, dein Freund!« gesagt. Zum Glück hatte Lars sie nicht gehört. Stefan schien sich nicht um Lauren zu kümmern, er kickte eine Bierdose herum. Wie ein verliebtes Paar benahmen sie sich nicht gerade. Aber die Szene im Bad ...
    »Wahnsinnsparty«, sagte Lars. Tapfer aß er das letzte Stück trockenes Baguette und spülte es mit lauwarmem Bier herunter. »Das Buffet ist auch klasse.«
    Ich sah ihn an. Dann prusteten wir beide los. Die Party war ein Reinfall, aber Lars saß bei mir und dasließ alles andere verblassen. Ich war so froh, dass er noch gekommen war. Und dass er niemanden mitgebracht hatte.
    Der Abend rauschte an mir vorbei. Lars tröstete mich wegen Billy und dann unterhielt ich mich über alles Mögliche mit ihm, während um uns herum die »Jahrhundertparty« ihrem lauwarmen Ende zuging. Einmal klingelte jemand aus der Nachbarschaft, woraufhin die Musik leiser wurde und die Leute nach und nach verschwanden. Jules WG hatte sich lautlos verflüchtigt, Benjamin war nicht zu sehen, Julius war in seinem Gartenstuhl zusammengerutscht, die Pfeife wie ein vergessenes Spielzeug neben sich auf dem Rasen. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass ich durch ihn hindurchschauen konnte wie durch Glas. Er tat mir leid. Er hatte alle möglichen materiellen Sachen, aber es schien nicht das zu sein, was er wollte. Er betäubte sich. Mit Alkohol, mit hirnlosen Freunden, mit Tabletten.
    »Ich muss los«, sagte Lars plötzlich. »Ich muss morgen früh raus. Ich habe meiner Oma versprochen, dass ich sie zum Arzt fahre.«
    Ich glaubte ihm. Er war kein zweiter Oliver. Aber würden wir uns noch einmal sehen? Ich folgte ihm zur Tür, als ich plötzlich Lauren wahrnahm, die vor dem Treppenaufgang auf dem Boden saß und rauchte. Tränen rollten ihr die Wangen herunter.
    »Lauren! Was ist denn los?« Erschrocken blieb ich stehen.
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Nahm einen heftigen Zug und hustete. Ich hatte sie noch nie rauchen sehen.
    »Wo ist denn Stefan?«
    Sie wandte mir ihr nasses Gesicht zu. Die Augen kleine Schlitze, die Haut rotfleckig. Sie musste schon eine ganze Weile lang geweint haben. Ein dünnes Lächeln erschien um ihren Mund, als hätte es jemand mit einem Bleistift aufgemalt.
    »Es ist nichts, Nina. Wirklich. Bin nur ein bisschen blau.«
    Lars stand ein Stück von mir entfernt im Dunkeln und zuckte hilflos mit den Schultern. Ich glaubte Lauren kein Wort, aber offenbar wollte sie nicht mit mir reden. Was auch immer die zwei für Stress miteinander hatten, ich würde mich nicht aufdrängen.
    »War schön mit dir«, sagte Lars vor der Tür. »Ich hab ja deine Nummer ...«
    »Und ich deine«, fiel ich ihm ins Wort. Wir schwiegen verlegen.
    »Viel Spaß im Ferienlager«, sagte ich endlich. Er umarmte mich kurz. Und ging.
    Ich fiel ins Bett und schlief sofort ein. Irgendwann musste die Party endlich aufgehört haben, denn als ich aufwachte, war es noch dunkel, aber still. Es war ein Geruch, der mich geweckt hatte. Als ob jemand direkt neben mir rauchte. Schlaftrunken setzte ich mich auf und sah auf meine Uhr. Es war halb drei.Meine Tür stand leicht offen, dabei hatte ich sie vorhin zugemacht. Oder doch nicht? Ich konnte nichts erkennen.
    »Hallo?«, sagte ich leise. Und da, ganz deutlich, hörte ich jemanden vor meiner Tür weggehen. Ich sprang aus dem Bett und rannte hinterher, aber als ich den Kopf in den Korridor rausstreckte, war alles leer und dunkel.
    »Hör auf mit dem Scheiß!«, wollte ich rufen, aber es kam nur ein Krächzen aus meinem Mund. Waren Julius' seltsame Freunde etwa noch da? Entschlossen schob ich einen Stuhl von innen unter die Klinke. Ich versuchte, wieder einzuschlafen. Kurz dämmerte ich weg, wachte aber bald wieder auf, strampelte meine Decke weg und warf mich im Bett hin und her. Dann musste ich doch wieder eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war draußen heller Tag und ich fühlte mich wie gerädert. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es bereits 11 Uhr war. Gern wäre ich wieder in mein traumloses Niemandsland versunken, aber es ging einfach nicht. Es hatte keinen Zweck. Ich konnte nicht mehr schlafen und

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