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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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mitleidig an. »Das ist ja traurig! Ich weiß noch, wie der Benny sein Meerschweinchen verloren hat. Was hat er da geweint!«
    »Der Benny« kam in die Küche und warf seiner Mutter einen peinlich berührten Blick zu. »Mama, danke für den Kuchen, aber du musst echt nicht alles ausplappern.«
    »Aber ihr Gecko ist doch gestorben!«
    Benjamin drehte sich interessiert um. »Echt jetzt? Ich dachte, die werden steinalt?«
    »Er ist ...« Ich holte tief Luft. »Es war ein Unfall.« Oder? Fragte Benjamin absichtlich so was?
    Benjamins Mutter stand wieder auf und nahm ihren Autoschlüssel. »Machen Sie ihm ein schönes Grab. Das hat bei Benny auch geholfen.«
    »Mama!«
    Ich schwieg. Was sollte ich auch sagen? Ich dachtean Billys Überreste, die ich mit einem Stock aus dem Ameisenhaufen gestoßen hatte.
    Da gibt's nicht mehr viel zu begraben.
    »Das alles hier und dann noch Baguette und Käse. Ach, und Schinken auch noch«, hatte Stefan gesagt. Er hatte mir mit nervtötender Langsamkeit einen Einkaufszettel geschrieben – noch dazu mit einem altmodischen Füller, der in unserer Küche aufgetaucht war. Ein Werbegeschenk von irgendwoher, das wie verrückt kleckste, aber wahrscheinlich fühlte sich Stefan damit wie ein exzentrischer Star oder ein Diplomat. Ich hatte mich freiwillig zum Einkaufen gemeldet, froh darüber, aus der Villa wegzukommen. Ich musste mich ablenken. Das mit Billy war schrecklich, aber nicht zu ändern. Vielleicht war es ja doch meine Schuld gewesen? Wahrscheinlich waren Goldfische die einzigen Tiere, die bei mir überleben würden.
    Die Party war schließlich die Gelegenheit, alle mal ein bisschen besser kennenzulernen. Eine richtige WG-Party, wie sie in hunderttausend Wohnungen im ganzen Land alle naselang stattfand.
    Ich lief voll bepackt vom Supermarkt zurück und legte die Einkäufe auf den Küchentisch. Mittlerweile hatte ich völlig den Überblick verloren, wie viele Leute kommen würden. Ich selbst hatte heute Morgen – quasi noch auf den letzten Drücker – jemandeneingeladen. Jule, das Mädchen aus der ordentlichen WG, die mir damals ihre Telefonnummer aufgedrängt hatte. Ich kannte sie zwar so gut wie nicht, ich kannte ja überhaupt niemanden hier, aber dennoch hoffte ich, dass ihre Anwesenheit der Villa eine gewisse Normalität verleihen würde. Zu meiner grenzenlosen Überraschung hatte sie sofort zugesagt und auch versprochen, dass ihre Freundinnen mitkommen würden. Ebenso ein gewisser Janek, der jetzt in das freie Zimmer gezogen war. Ein Junge!
    Ich blickte auf meine Armbanduhr. Noch zwei Stunden. Ich begann damit, den Käse in Würfel zu schneiden. Auf dem Küchentisch standen Unmengen von Flaschen, auf dem Boden ein Kasten Bier. Obwohl gegrillt werden sollte, war außer einem Teller mit qualvoll verdrehten Würsten nicht viel zu sehen. Der Kuchen war bereits zur Hälfte aufgegessen. Claire war in ihrem Zimmer verschwunden, Julius und Stefan versuchten mit großem Tamtam, den verrosteten Grill anzuschmeißen, und Benjamin hatte versprochen, eine Musikliste auf seinen iPod zu laden. Es dauerte verdächtig lange. Ich passte auf wie ein Luchs, ob Lauren sich durch irgendeine Geste oder Bemerkung ihm gegenüber verriet, aber nichts geschah. Es war, als hätte es den nächtlichen Moment in der Küche nie gegeben.
    Um Punkt 19 Uhr klingelte es. Vor der Tür standen Jule und ihre Freunde und sahen mich erwartungsvoll an. Janek, ihr neuer Mitbewohner, trug ein gebügelteshellblaues Hemd – wie ein Bankangestellter. Na klasse.
    »Hallo«, sagte ich. Sie sahen sich neugierig um, beeindruckt und leicht verunsichert.
    »Hier.« Jule hielt mir eine Schüssel mit Nudelsalat hin.
    »Oh, lecker, danke. Geht ruhig schon mal durch in den Garten. Oder bleibt in der Küche, ganz wie ihr wollt. Nur nach oben könnt ihr nicht, da ist gesperrt.« Ich plapperte hektisch drauflos, schob sie vor mir her, weg von der Treppe. Janek blieb stehen.
    »Warum denn?«, fragte er neugierig. Fachmännisch klopfte er das Geländer ab. Ich betete im Stillen, dass es nicht zusammenbrechen würde.
    »Renovierungsarbeiten.« Ich schubste die verwirrten Mädchen durch die Hintertür in den Garten hinaus. Zu Julius, der gerade Spiritus auf das Feuer gekippt hatte und wie der Leibhaftige hinter einer Stichflamme erschien.
    Dröhnende Bässe erklangen plötzlich im Haus und jemand hämmerte an die Eingangstür. Ich lehnte kurz meine Stirn an die kalte, glatte Wand. Säuerlicher Essiggeruch stieg von dem Nudelsalat auf, den ich

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