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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Aber das wissen Sie ja sicher.«
    »Aber davon stirbt man doch nicht«, flüsterte Stefan.
    »Nun, das würde ich nicht so pauschal sagen. Haben Sie in letzter Zeit die Nachrichten verfolgt? Kaum ein Tag ohne Komasaufen.« Er verzog angewidert den Mund.
    »Aber Lauren hat doch kein Kampftrinken mitgemacht!« Stefan ließ sich nicht einschüchtern.
    Hauptkommissar Ertl schüttelte den Kopf. »Nein. Deswegen hat sie auch noch nachgeholfen. Mit Moxycotron.« Urplötzlich machte er einen Schritt auf Stefan zu.
    »Mox ... was?«, stotterte der.
    »Moxycotron. Kommt aus den USA. Eigentlich ein Schmerzmittel für Krebskranke. Auch ›Hillbilly Heroin‹ genannt, zu deutsch »Landeier-Heroin«. Weil es einen ähnlich berauschenden Effekt wie Kokain hat. Aber Sie wissen ja sicher, wovon ich rede.«
    »Nein«, sagte Stefan. Man konnte es kaum hören. Ich sah ihn nicht an. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass alle auf den Boden starrten. Auf ihre Fingernägel, die Wand, überallhin, nur nicht zu Julius. Ein Schmerzmittel.
    »Sie wissen es nicht? Kommen Sie, wollen Sie michfür dumm verkaufen? Das Zeug kursiert auch hier als Partydroge, das weiß doch jeder. Macht richtig schön high. Fast wie gutes Coke. Deswegen ist es ja so beliebt. Und Sie hatten doch an dem Abend eine Party, nicht wahr? Aber wissen Sie auch, dass es zusammen mit Alkohol schon bei kleinster Dosierung eine tödliche Kombination ergibt? Deshalb ist es noch bei einer anderen Gruppe ein Hit. Bei den Selbstmördern. Bei so einer Menge ...« Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Mit Party ist da nicht mehr viel. Nur noch Tod durch Atemlähmung. Ihre Freundin wollte wohl ganz sichergehen.«
    Ich zuckte entsetzt zusammen. Lauren war erstickt! Sein Kollege, der bislang den altmodischen Herd gemustert hatte, als gäbe es nichts Spannenderes auf der Welt, wandte sich mir zu.
    »Was meinen Sie denn, wo Ihre Freundin die Tabletten herhatte? In ihrer Tasche haben wir noch die leere Packung gefunden. Im Supermarkt wird sie die wohl kaum gekauft haben.« Es klang fast beiläufig, als ob er ein nettes Gespräch unter Freunden anfangen wollte.
    Ich schwieg. Zuckte mit den Schultern und wagte es nicht, die anderen anzusehen.
    »Herr Behnisch?«, fragte Hauptkommissar Ertl.
    Julius erwachte aus seiner Starre. »Ist das eine Vernehmung?«
    Ertl verzog leicht den Mund. »Natürlich nicht. Da gehen wir ganz anders vor. Hier wohnen ja Minderjährige,deren Eltern wir bei einer Vernehmung informieren müssten.«
    Mein Gesicht brannte. Sollte mein erster Ausflug ins Erwachsenenleben etwa mit einem Polizeiverhör enden?
    Er räusperte sich. »Nein, nein – das hier dient nur dem Sammeln erster Informationen.«
    Julius sah ihn herausfordernd an. »Dann müssen wir Ihnen auch nicht Rede und Antwort stehen. Das weiß ich von meinem Vater.« Eine kurze Pause entstand, in der er mit dem Fuß scharrte. Dann fuhr er fort. »Aber ich habe nichts zu verbergen. Und ich habe nichts mehr mit solchen Sachen zu tun. Sie können gern das Haus durchsuchen. Ich habe keine Ahnung, wo Lauren das Zeug herhatte.«
    Der Kommissar nickte, sagte aber nichts. Er schien zu warten.
    »Wenn das so eine Partydroge ist, wie Sie sagen, ist die vielleicht einfach zu beschaffen?«, fragte Claire.
    »Das ist leichter, als du denkst«, murmelte Benjamin.
    »Genau«, sagte der Kommissar. »Wenn man die richtigen Leute kennt. Ist wie früher. Mit Beziehungen geht alles.« Er lachte freudlos auf.
    »Kommt alles aus Polen, sagt mein Kumpel«, meinte Benjamin.
    Wir anderen schwiegen noch immer. Ich kämpfte mit mir. Sollte ich erwähnen, dass das Heine-Gedicht meiner Meinung nach nicht von Lauren geschriebenworden war? Aber vielleicht würde man mich auslachen?
    »Ist Ihnen sonst noch was eingefallen?«, fragte Hauptkommissar Ertl. »Wir wissen, dass es Spannungen zwischen der Toten und ihren Eltern gab. Laurens Mutter macht sich schwere Vorwürfe.«
    »Na ja, Lauren hat auch mal so was Komisches gesagt«, meldete sich Claire.
    »Was meinen Sie mit komisch?«
    Claire sah aus irgendeinem Grund zu mir. »Du warst doch auch dabei, Nina. Als sie von Selbstmord geredet hat.«
    »Was?«, fragte ich verblüfft.
    »Neulich, in der Küche. Da hat sie doch was von Selbstmord gesagt, weißt du noch? An dem Abend, als wir ins Irish Pub sind.«
    »Das war doch ein Witz!« Beinahe hätte ich gelacht. Wie absurd! Das konnte doch nicht Claires Ernst sein.
    »Woher willst du wissen, ob das ein Witz war? Man kann in einen Menschen nicht

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