Villa des Schweigens
hineinsehen.«
»So ein Unsinn«, sagte ich scharf. Der Kommissar schrieb etwas auf. »Hören Sie, man sollte eher mal überlegen, warum Lauren für ihr Abschiedsgedicht nicht ihren Lieblingsstift verwendet hat, sondern so einen komischen Füller. Das macht doch keinen Sinn. Wenn überhaupt jemand seine letzten Worte in Rosa verewigen würde, dann Lauren!« Meine Stimme versagte, mir kamen die Tränen. Aber jetzt hatteich es endlich heraus, auch wenn mir ganz schwindlig vor Aufregung war. Claires alberne Bemerkung hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.
»Ich ... Mir ist noch was eingefallen.« Das war Stefans Stimme. »Auch wegen dem Heine-Gedicht.«
Jetzt hatte er die Aufmerksamkeit von allen. »Das passt schon, mit dem Gedicht. Mit welchem Stift sie es geschrieben hat, ist doch egal. Aber es stimmt, dass sie damit eine Nachricht hinterlassen wollte. Da bin ich mir ganz sicher.« Sein Blick war glasig, Schweißperlen rannen ihm an der linken Schläfe entlang. Seine Stimme klang zwei Oktaven tiefer als sonst.
»Warum?«, fragte der Kommissar.
»Weil ich mit ihr Schluss gemacht habe an dem Abend. Und der Grund war, dass ich mich in jemand anderen verliebt habe.«
»Haben Sie ihr das gesagt?«
Stefan nickte. »Es tut mir so leid. Aber gegen seine Gefühle ist man machtlos. Ich konnte sie doch nicht anlügen!«
Im Zimmer herrschte Totenstille, abgesehen von dem Geräusch, das Benjamins trommelnde Fingernägel auf seiner Jeans verursachten.
Die beiden Beamten wechselten einen kurzen Blick.
»Nun«, sagte Hauptkommissar Ertl zögerlich, »das macht Sinn, da haben Sie recht. Und auch Ihre Bemerkung.« Hier nickte er Claire zu. Sie lächelte traurig.
Und meine? In mir begann es zu brodeln. Ich schämte mich, ohne zu wissen, warum. Was war mit meiner Bemerkung? Nichts, wie es aussah. Die zwei Beamten verließen kurz danach das Haus. Für die Polizei war offenbar am wichtigsten, dass der Fall mit einem dicken Schlussstrich versehen wurde. Sie interessierten sich höchstens noch dafür, wo genau die Tabletten hergekommen waren und ob sie vielleicht ein paar Dealer hochgehen lassen konnten. Ein sauberer Selbstmord, glatt und logisch. Oder auch ein unglücklicher Zufall von Tabletten und Alkohol. Aber das war es nicht. Da war ich mir jetzt ganz sicher. Das war es nicht.
Der Füller. Der verdammte Füller. Dabei habe ich mich doch so bemüht! Ich darf jetzt keinen Fehler machen. Aber noch besteht kein Grund zur Panik. Die zwei alten Polizeihunde sind viel zu träge, um mir gefährlich zu werden. Ihre vorhersehbaren Fragen reizen mich fast zum Lachen.
Und außerdem bin ich so glücklich über das, was ich heute erfahren habe!
Es steht nichts auf der Welt zwischen dir und mir ...
19. Kapitel
Kaum waren die beiden Männer weg, ging es los.
»Sag mal, hast du sie noch alle?«, fuhr ich Claire an. »Was erzählst du denen für einen Quatsch? Lauren hat nicht von Selbstmord geredet.«
»Aber ja doch! Das kannst du doch nicht vergessen haben!«
Ich war einen Moment lang sprachlos. »Claire, das war ein Witz. Wir haben rumgealbert. Das war so wie ...« Ich suchte verzweifelt nach Worten, um diesem Ulk ein Ende zu machen. »Das war, wie wenn man sagt: Ich lach mich tot. Das meint man doch nicht wörtlich.«
»Ein Witz? Siehst du mich lachen? Und ich weiß, was ich gehört habe.« Claire war störrisch wie ein Esel. Es war einfach nicht zu glauben. Und wenn wir schon einmal dabei waren ...
»Außerdem will ich, dass mir jetzt endlich einer mal sagt, was mit dieser Jette passiert ist! Und hört auf mit dem Schottland-Scheiß!« Ich spürte, wie ich mich immer mehr aufregte.
»Jette ist in der Psychiatrie«, sagte Julius müde. »Hat sich beim Ritzen in deinem Zimmer die Pulsadern angeschnitten und anschließend voller Panikbei der Weber geklingelt. War alles voller Blut. Du wärst ja wohl kaum hier eingezogen, wenn wir dir das gesagt hätten, oder? Wärst abgehauen, so wie all die anderen, die vor dir da waren.«
Was sagte der da? Es war nicht zu glauben! Wut, viel zu lange angestaute Wut quoll in mir hoch. Gleich würde ich wie ein Vulkan mit lautem Getöse ausbrechen, ich würde ...
»Ist doch jetzt egal. Hast du Lauren den Scheiß gegeben?«, kam Stefan mir zuvor. Er sah Julius an, als ob er ihn gleich zusammenschlagen wollte. »Sie kann es ja wohl nur von dir gehabt haben. Wie konntest du das tun?«
»Ich hab ihr gar nichts gegeben«, wehrte sich Julius.
»Lüg mich nicht an!«, brüllte Stefan. »Ich wollte
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