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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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ja vor den Bullen nichts sagen, aber das ist ja wohl das Letzte! Jetzt, wo du es selber nicht mehr nehmen darfst, drehst du es anderen an? Die sich damit umbringen?« Er zerrte Julius am T-Shirt. Dieser stolperte ein Stück zurück und hielt sich schützend den Arm vors Gesicht, als ob er jeden Moment einen Schlag erwartete.
    »Hört auf!« Benjamin zog Stefan weg. »Er sagt doch, dass er ihr dieses Moxizeug nicht gegeben hat.«
    »Er lügt! Er lügt immer!« Stefan war fuchsteufelswild. »Ich kann es dir ansehen, wenn du lügst!«, schrie er Julius an. Ich musste ihm recht geben. Dawar etwas in Julius' Gesicht. Sein flatternder, nervöser Blick. Die roten Flecken am Hals.
    »Ich habe ihr keine Tabletten gegeben«, brüllte Julius, jetzt außer sich vor Empörung. Er schüttelte Stefan ab wie ein bockiges Kind und warf sich auf den Küchenstuhl. Dort legte er den Kopf auf die Arme und ruckte hin und her.
    »Lass ihn!« Benjamin stellte sich schützend vor Julius, was fast grotesk wirkte. Immerhin war er einen Kopf kleiner als Stefan und Julius.
    Ich schäumte immer noch über Claires idiotische Bemerkung und ließ meine Wut jetzt an Benjamin aus.
    »Ich habe euch gesehen«, sagte ich zu ihm. »Dich und Lauren, nachts in der Küche. Hattest du was mit ihr?« Trotz allem, was Lars mir erzählt hatte, wollte ich verdammt noch mal eine Erklärung von Benjamin hören.
    »Quatsch«, sagte er. »Da war nichts.«
    »Das sah aber anders aus! Außerdem hast du den Füller benutzt. Du hattest am Tag nach Laurens Tod Tintenkleckse an den Fingern wie ein Erstklässler.«
    »Was, du und Lauren?« Claire machte große Augen. Dann sah es fast so aus, als ob sie grinste. » Du bist ihre heimliche Liebe?«
    »Bin ich nicht, verdammt noch mal. Und ja, natürlich habe ich mit dem Ding geschrieben. Hat ja wohl jeder hier, oder? Der Füller lag in der Küche rum, liegt er ja jetzt noch.« Benjamin rieb sich erschöpftdie Stirn. »Ich habe sie nur getröstet. Sie hat sich bei mir ausgeheult, weil du«, hier wandte er sich zu Stefan, »immer abweisender zu ihr wurdest. Sie war total fertig. Hat schon geahnt, was da kommt. Dass du mit ihr Schluss machen willst.«
    »Ach, und das soll ich dir glauben?« Stefan lachte höhnisch auf.
    »Ja, das sollst du mir glauben. Es ist die Wahrheit. Ich ...« Er rang nach Luft. »Ich steh nicht auf Mädchen.«
    »Hä?« Julius sah verblüfft hoch, die Augen rot wie ein Kaninchen. Ich hielt die Luft an. Also doch.
    »Echt jetzt?« Stefans Wut schien einer Art verdatterter Neugier gewichen zu sein.
    Benjamin nickte. »Hat eine Weile gedauert, ehe ich es ...« Der Rest ging in unverständlichem Gemurmel unter. Trotzdem wirkte er erleichtert.
    »Aber der Zettel mit dem Gedicht«, meldete sich Claire. Benjamins Geständnis schien sie kaum zu erschüttern. »Dann war sie vielleicht in dich verknallt?« Sie sah fragend zu Julius.
    »In mich?« Er sah ungläubig an sich herunter. Stefan lachte spöttisch. Und es war ja auch wirklich eine aberwitzige Vorstellung, dass die leicht kitschig-romantisch veranlagte Lauren heimlich in den schmuddeligen, launenhaften Julius verliebt gewesen sein sollte. An seinem Shirt klebte irgendwas Weißes, Eingetrocknetes. Frischkäse wahrscheinlich. Den aß er gern.
    Einen Moment lang herrschte Ruhe.
    »Und woher hatte sie nun die Tabletten?«, fragte ich in die Stille hinein. Außer Benjamins Outing hatten wir nichts Neues erfahren. Wir hatten uns im Kreis gedreht.
    »Na, von ihm sicher«, murmelte Stefan. Julius schraubte sich aus seinem Sitz hoch. Stefan sprang sofort auf. Wollten sie sich etwa prügeln?
    »Also gut«, sagte Julius. »Ich hatte Moxicotron in meiner Schublade.« Er wedelte abwehrend mit der Hand, als er sah, wie Stefan seinen Mund öffnete. »Nein, nicht, was du denkst. Ehrlich! Ich nehme so was nicht mehr. Es war von meinem Kumpel. Der wohnt noch bei seinen Eltern. Ich habe es für ihn aufbewahrt. Seine Mutter schnüffelt immer bei ihm rum. Er nimmt es manchmal, wenn er chillen will oder Kopfschmerzen hat oder ...«
    »Und da gibt er es ausgerechnet dir?«, unterbrach ich ihn entgeistert.
    »Ja«, sagte Julius ernst. Das erste Mal heute sah er uns direkt an. »Ausgerechnet mir. Denn bei mir besteht nicht die Gefahr, dass ich es ihm wegschlucke oder es verhökere, wie bei all den anderen.«
    »Dafür spielst du Gott und schenkst es kleinen Mädchen mit Liebeskummer«, sagte Stefan.
    »Nein«, sagte Julius aufgebracht. »Ich habe es Lauren nicht gegeben. Aber

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