Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
Vom Netzwerk:
Bahnhofsklo«, sagte ich wütend.
    Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Dann zieh halt aus. Dein Problem.«
    Claire warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Vielleicht hast du die Cola ja im Schlaf umgestoßen?«, schlug sie vor.
    »Und vielleicht haben die Ameisen eine Klassenfahrt in mein Zimmer gemacht?« Meine Stimme wurde immer kieksender.
    Der Blaumann guckte zur Tür herein und rollte leicht entnervt mit den Augen, als er mich sah.
    »Ist der Gashaupthahn im Keller?«, fragte er Julius. Der stand auf.
    »Ich zeig's Ihnen«, sagte er.
    Eine Hand tätschelte beruhigend meinen Arm. Claire. »Du siehst ziemlich fertig aus, Nina. Das mit Lauren hat uns alle ganz schön mitgenommen. Aber deswegen musst du doch nicht dauernd deine Freunde verdächtigen.«
    Meine Freunde?
    »Ich ziehe aus, sobald es geht«, sagte ich. Damit ließ ich sie stehen.
    Benjamin kam gerade aus dem Bad. Der Spiegel war noch ganz beschlagen, der Geruch von einem Männerduschgel hing in der Luft. Er lächelte freundlich. Seit seinem Coming-out war er wie ausgewechselt.
    Ich versperrte ihm den Weg. »Hast du die Ameisen in mein Bett gelockt?«
    Sein Lächeln verwandelte sich in ein verständnisloses Grinsen. »Wie bitte?«
    »Ameisen, in meinem Bett. Und Cola.« Ich hielt meine Arme hoch. Beinahe hätte ich ihm noch meinen Bauch gezeigt. Ich war wie benommen.
    »Du musst echt aufpassen mit den Viechern. Ich hatte auch mal welche in meinem Zimmer. Alles Süße immer wegpacken.«
    »Ich hatte nichts Süßes rumliegen. Jemand hat mir Cola ins Bett gekippt. Absichtlich, als ich geschlafen habe!«
    Er zog die Stirn kraus. »Also, du meinst ... Absichtlich, sagst du? Warum denn? Bist du da nicht aufgewacht?«
    »Nein«, flüsterte ich. Etwas stimmte hier nicht. Ich hatte so fest und lange geschlafen. Zum Glück hatte mir Herr Seibel gestern angeboten, dass ich heute zu Hause bleiben konnte. Es war bereits Mittag. Nicht mal die lärmenden Handwerker hatte ich gehört. Das passierte mir sonst nie. Das war nicht normal.
    »Mal ehrlich, Nina, warum sollte denn jemand so was machen? Das hat bestimmt einen logischen Grund. In der Bude hier gibt es lauter undichte Ecken. Einmal habe ich eine Ratte im Keller gesehen.« Er verzog angewidert das Gesicht. »Wenn ich dir einen Tipp geben darf – zieh aus. Mach ich wahrscheinlich auch.«
    »Was sagt ihr da? Hier sind Ratten?« Stefan kam aus seinem Zimmer, eine khakifarbene Tasche quer über den Oberkörper geschnallt. Benjamin nickte ihm kurz zu und verschwand in seinem Zimmer.
    »Keine Ratten. Ameisen«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß, die sind hinten im Garten.«
    »Nein, nicht im Garten. In meinem Bett.«
    Er grinste. »Du bist eben so süß.«
    Fassungslos hielt ich ihm meinen roten Arm vors Gesicht. »Findest du das lustig? Hast du die Viecher vielleicht in mein Zimmer gelockt?«
    Sein Grinsen fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. »Autsch! Das sieht ja fies aus. Entschuldige, ich hab's nicht so gemeint, sorry. Da hilft rohe Zwiebel. Aufschneiden und draufpressen. Besser als allesaus der Apotheke, glaub mir. Ich muss leider weg, sonst würde ich dich verarzten.«
    »Schaff ich schon alleine«, brummte ich. Und dann würde ich packen und abhauen. Schon heute Abend würde ich woanders schlafen. Zur Not im Hotel Schwan . Ich hatte zwar immer noch keine Ahnung, warum jemand es auf mich abgesehen hatte, aber nach der letzten Nacht hatte ich auch kein Verlangen mehr, so lange auszuharren, bis ich es herausfand. Bis ich so endete wie Lauren? Dieser Verdacht nahm mir einen Moment lang den Atem. Bloß weg hier.

Na, wer sagt's denn. Sie zieht aus! Noch ein kleines Abschiedsgeschenk bekommt sie von mir. Damit sie hier nie wieder auftaucht.
    Und tschüss!

23. Kapitel
    In dem kleinen Laden an der Ecke kaufte ich eine runzlige Zwiebel und zwei Zeitungen. Die Zimmersuche ging schließlich weiter.
    Als ich zurück zur Villa kam, dröhnten dumpfe Technoklänge aus Julius' Zimmer, während die Handwerker inzwischen im oberen Stockwerk herumkrochen. Ich hatte die Tür zum Garten verriegelt, damit nicht noch mehr Ameisen hereinkamen. Als ich in den Garten hinausblickte, fiel mir plötzlich etwas ein. Ein Stück Kindheitserinnerung, das ich total vergessen hatte. Bio sechste Klasse. Da ging es um Ameisenstraßen. Wenn Ameisen von einem Ort zum anderen zogen, bildeten sie sogenannte Straßen – eine lange Linie wandernder Ameisen. Davon war hier nichts zu sehen. Als wären sie geflogen. Oder ...
    Mir wurde kalt. Mein

Weitere Kostenlose Bücher