Villa des Schweigens
mittlerweile schon unter Halluzinationen. Ich konnte mich nicht auf die Musik konzentrieren. Ich war so müde. So ausgelaugt. Ich gähnte. Ich riss die Augen auf, rieb sie, um wach zu bleiben, legte dann erschöpft den Kopf auf die Arme. Schlafen. Einfach nur schlafen. Fast fehlte mir die Kraft, aufzustehen und einfach nur auf mein Bett zu fallen. Irgendwo in mir war da was, so ein komisches Gefühl, dass diese Müdigkeit nicht ganz normal war, aber mein Bett war so weich.
So weich ...
Jemand stach mit Nadeln auf mich ein. Ich versuchte, mich zu wehren, aber ich war wie gelähmt. Es brannte und zwickte, vor Schmerz wollte ich schreien, doch kein Ton kam heraus. Mein Kopf war wie mit Watte gefüllt, meine Arme waren ganz steif, es war so dunkel und so nass und wo war ich überhaupt, ich war irgendwo eingesperrt und jemand stach immer wieder zu. Ich schrie wieder – diesmal kam ein Röcheln aus meinem Mund – und wachte auf.
Ich hatte nur irgendwas Schreckliches geträumt. Erleichtert setzte ich mich auf, da spürte ich wieder so einen beißenden Stich. Was zum ... ? Ich sprang auf, zerrte meine Decke weg und starrte fassungslos auf das sich mir bietende Bild: kribbelnde Ameisen, überall in meinem Bett! Und mein Laken ganz nassund klebrig. Der süßliche Geruch nach Cola. Meine Arme – feuerrot und voller Quaddeln, mein Bauch auch, es juckte und brannte überall.
Draußen war es hell, die Sonne schien durch einen Spalt in den schweren Vorhängen hindurch. Die Cola war leer. Mein Herz raste wie verrückt, mein Blick hetzte zur Tür. Der Stuhl stand noch genauso da wie am Abend zuvor.
Ein kühler Hauch streifte mein Bein, ich drehte mich langsam in die Richtung, aus der er kam.
Die Flügeltür zum Garten war nur angelehnt. Diese Scheißtür! Ich hatte sie doch gestern Abend so fest zugemacht, wie ich nur konnte! Aber es genügte ein bisschen Kraftanwendung von außen, um sie wieder aufzudrücken ...
Ich zögerte genau eine Sekunde lang. Dann hatte ich das Gefühl, als ob in mir eine Feder schnappte, wie bei einem zu straff aufgezogenen Spielzeug. Etwas klirrte draußen im Korridor. Ich stieß die Tür auf, nahm eine Bewegung links von mir wahr und machte einen Satz auf die Person zu, die auf dem Boden kniete.
»Warst du das?«, schrie ich, rasend vor Zorn. »Hast du mir Cola ins Bett gekippt?«
»Immer schön langsam, Fräulein«, sagte eine tiefe Stimme, grobe Hände wehrten mich ab. Vor mir stand ein Handwerker im Blaumann, Zollstock in der Hand. »Sonst geht's ja wohl noch gut«, murmelte er verärgert.
»Die Ameisen in meinem Bett«, sagte ich, jetzt völlig konfus. Wer war der Typ? Was machte er hier?
»Ungeziefer auch noch. Wundert mich gar nicht«, murrte der Mann. »Da müssen Sie mich nicht so anschreien. Das ist Sache des Kammerjägers. Wir machen nur die erste Baukontrolle.«
»Was?«
»Baukontrolle. Wegen der Renovierung.«
»Renovierung?« Meine Haut brannte, meine Nase war verstopft und mein Kopf dröhnte. Also konnte ich nicht mehr träumen. Ich schob mich an dem kopfschüttelnden Mann vorbei.
Jemand war im Bad, die Dusche rauschte. Am Küchentisch saßen Claire und Julius. Ein Paar wie aus der Kaffeewerbung. Ich konnte Claires frisch gewaschene Haare riechen, Julius trug ein verdächtig sauber und ordentlich aussehendes Hemd.
»In meinem Bett sind Ameisen, ganz viele«, platzte ich heraus und hielt meine roten Arme hoch. Julius setzte klirrend seine Tasse ab.
»Igitt«, machte Claire.
»Die Viecher sind dort, weil jemand gestern Nacht Cola in mein Bett gekippt hat. Es kann nur einer von euch gewesen sein. Warst du's?«, fuhr ich Julius an.
»Hey, hey, easy«, sagte er verblüfft. »Hast du sie noch alle? Gestern hat sie mich auch schon so komisches Zeug gefragt«, beschwerte er sich bei Claire.
»Warst du's?« Ich schoss meine Frage wie einenPfeil auf Claire ab. Sie schüttelte entsetzt den Kopf. »Spinnst du, Nina? Was soll das denn?«
Ich fühlte, wie mir die Tränen kamen. Jetzt bloß nicht heulen. »Jemand war in meinem Zimmer ...«
»Also ich bestimmt nicht«, sagte Julius. »Abgesehen davon, dass ich beim besten Willen nicht wüsste, warum ich das tun sollte, bin ich erst vorhin von meinem Vater wiedergekommen. Du siehst ja, was hier los ist.«
»Und was ist hier los?«, fragte ich, etwas aus dem Konzept gebracht.
»Mein Alter lässt die Villa nun doch renovieren. Zu viel passiert hier. Bis dahin könnt ihr aber noch hier wohnen.«
»Vielen Dank auch. Eher ziehe ich ins
Weitere Kostenlose Bücher