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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
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ihrerseits ihre Meinung zu dem Fall laut werden zu lassen. Aber der junge Mann sagte, bevor sie sich äußern konnte:
    „Das ist nun mal so. Wenn ich Ideen kriege, muß ich sie gleich in die Tat umsetzen. Das ist bei Künstlern nun mal nicht anders.“
    Herr Krüger und Frau Hubermeier sahen sich an. „Aber“, begannen beide wie aus einem Munde, doch Oma legte ihnen beruhigend rechts und links die Hände auf die Arme und sagte sanft:
    „Jimmy, würde es Ihnen etwas ausmachen, neben einem Esel zu wohnen?“
    Jimmy blinzelte überrascht. „Wenn er musikalischer ist als die beiden Herrschaften hier, keineswegs — “, sagte er schließlich spöttisch.
    Am nächsten Tag siedelte Jimmy in das Gartenhäuschen über und erhielt das Zimmer neben dem Esel Peppino. Da Sonntag war, konnten die Pieselang-Kinder helfen. Sie klapperten begeistert auf ihren neuen, von Schuster Krüger geschnitzten Holzschuhen zwischen der Villa und dem Gartenhaus hin und her. Schließlich war das Zimmer mit einem Bett, einem Tisch, zwei Stühlen und einem Schrank möbliert, und der kleine Kanonenofen in der Ecke war angeheizt. Brigitte brachte noch einen braunen Tonkrug mit ein paar Tannenzweigen darin, Peter die aus einer Zeitschrift ausgeschnittene Fotografie eines Pferdekopfes, Jan einen ausgehöhlten Stein, den man als Aschenbecher benutzen konnte, und Rolf einen kleinen, abgeschabten Teddybären, den Jimmy gerührt in der Hand hielt und dann auf sein Bett setzte. Oma kam mit ein paar Kissen und einem hübschen, bunten Flickenteppich. Auch Frau Hubermeier erschien. Sie hatte sich von Oma überzeugen lassen, daß man einem Künstler besondere Rechte zugestehen müsse. Sie selbst fühlte sich ja auch als Künstlerin. Zur Versöhnung hatte sie eine schöne Torte gebacken und die halbe Nacht an einem Kreuzstichspruch für Jimmys Wand gearbeitet. Den berühmten Vers „Wo man singt, da laß dich ruhig nieder“, hatte sie umgeändert in „Wo man bläst, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“. Jimmy war ganz überwältigt von all der Freundlichkeit. „Aber das Schönste ist, daß ich hier endlich mal eine Bude habe, wo ich niemanden störe, wenn ich blase. Auch sie wird sich freuen.“ Er tätschelte zärtlich seine Trompete und hob sie schließlich zum Munde. Klar und schön klang der erste Ton. Aber schon beim zweiten hörte man von nebenan eine Begleitung. Der Esel Peppino hatte seine Stimme erhoben, um zum Konzert beizutragen. Jimmy hielt mitten in einem schwungvollen Lauf ein und erstarrte.
    „Was ist denn das?“ fragte er schließlich, als auch das Lied nebenan beendet war.
    „Das ist Peppino, unser Esel“, sagte Brigitte schüchtern.
    Ein Aufschrei entrang sich Jimmys Kehle. Er sank auf den nächsten Stuhl, raufte sich die langen Haare und rief: „Und immer, immer wenn ich musiziere, wird dieses Biest nun losdröhnen. Das ist ja nicht auszuhalten. Ich habe geglaubt, ich hätte nun endlich ‘ne ideale Bude, und nun ist es wieder nichts. Es wird nie fertig, das Trompetenkonzert, nie, nie, nie.“
    Die Umstehenden sahen sich betreten an. Jan kramte aus seiner Hosentasche eine Schnur und schlug vor:
    „Ich werde Peppino das Maul zubinden, solange du spielst.“
    Aber Oma meinte: „Ich weiß was Besseres: Wir geben ihm in der Zeit etwas zu fressen.“
    Die Tür zu Peppinos Raum wurde geöffnet. Er stand dort in der Mitte seines Zimmers und blickte sie unter seinen struppigen Ponyfransen vorwurfsvoll an. Als ihm aber Jan und Peter Mohrrüben und altes Brot hinschütteten, machte er sich sofort darüber her. Jimmy fing an zu blasen und konnte sein Stück ungestört zu Ende bringen. Als er fertig war, hatte Peppino auch gerade seine Mahlzeit beendet. Leider fing er aber sofort wieder an zu schreien. Alle sahen Jimmy betrübt an, und Jan wollte dem Esel gerade neue Mohrrüben vor die Füße schütten, als Jimmy plötzlich rief:
    „Halt!“ Sein Gesicht, das eben noch so finster geblickt hatte, erhellte sich immer mehr. Er lauschte angestrengt. „Das ist ja toll“, sagte er plötzlich begeistert, „das ist genau die Melodie, die mir im dritten Satz von meinem Konzert noch fehlt und die ich schon so lange suche.“ Er hob die Trompete an die Lippen und begleitete des Esels „Ah“ mit denselben Tönen. Jetzt hielt Peppino mitten im Geschrei inne und sah Jimmy verdutzt an. Dann drehte er sich zur Wand und zeigte ihnen beleidigt seinen baumelnden Schwanz. Jimmy aber kramte in seiner Reisetasche aufgeregt nach

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