Villa Oma
Ohnmacht fällt. Die Turnlehrerin, die gerade auf dem Flur vorbeikommt, hört den Bums, öffnet die Tür und findet das bleiche Fräulein Nähmann . Sie ruft einen Schüler herbei, und zusammen tragen sie die Handarbeitslehrerin in die Turnhalle, wo ein Ruhebett steht.
Sie kommt noch einmal kurz zu sich und flüstert:
,Das schreckliche Tier.’ Dann verlassen sie wieder die Sinne.
Die Turnlehrerin horcht auf: Ein Tier, ein schreckliches Tier ist in Klasse 2 b? Sie hat nichts gesehen. Aber vielleicht hat es sich gerade versteckt. Sie sucht unter den Kindern, die gerade zum Turnunterricht hereinkommen, den besten Läufer aus. ,Lauf geschwind zu Herrn Fegeblech und sage ihm, er soll aus Klasse 2 b ein Tier jagen. In Klasse 2 b ist ein schreckliches, tolles Tier.’
Der beste Läufer der Schule saust mit Windeseile die Treppe hinab zu Herrn Fegeblech, dem Hausmeister.
Herr Fegeblech ist schwerhörig.
,Was willst du?’
Der schnelle Läufer brüllt: ,Ein Tier, ein tolles Tier ist in Klasse 2 b!’
Der Hausmeister nickt. Aber dann überlegt er.
Ein Tiger ist in Klasse 2 b und tollwütig ist er auch noch, und den soll er aus der Klasse jagen, er ganz allein? Er brummt ärgerlich und macht sich auf den Weg zum Direktor.
Der Direktor hat gerade eine Besprechung mit dem Naturkundelehrer und dem Erdkundelehrer, als Herr Fegeblech mit seiner Nachricht hereinplatzt.
Der Direktor wird blaß.
,Ein tollwütiger Tiger ist in meiner Schule? Wie ist er denn hereingekommen?’
,Vielleicht durch das Fenster’, meint der Naturkundelehrer, ,Tiger können gut klettern.’
,Aber wo kommt er denn her?’ ruft der Direktor.
,Vielleicht ist er aus dem Zoo oder einem Zirkus entlaufen’, meint der Erdkundelehrer.’
,Ist er gestreift oder gefleckt?’ fragt der Naturkundelehrer. ,Wenn er gefleckt ist, ist es nämlich ein Panther und kein Tiger.’
,Das ist doch ganz gleichgültig’, ruft der Direktor.
,Das ist es nicht’, sagt der Erdkundelehrer gekränkt. ,Wenn wir beim Zoo anfragen, ob ihnen ein Tiger entlaufen ist und sie sagen ,Nein’, weil ihnen eben ein Panther, aber kein Tiger fehlt---’
,Gute Idee’, meint der Direktor, ,ich rufe den Zoo an.’
Er greift zum Telefon. Nein, im Zoo ist kein Tiger und auch kein Panther entlaufen, aber sie werden einen Wagen mit einem Käfig und ein paar Tierfängern schicken, um das tollwütige Raubtier einzufangen.
Unterdessen hat es zur nächsten Stunde geklingelt. Als der Direktor den Telefonhörer auflegt, fragt er: ,Wo sind die Kinder der Klasse 2 b?’
Herr Schmidt, der eben hereinkommt und nichts von der ganzen Aufregung weiß, sagt fröhlich: ,Ich sah sie eben sehr brav in ihre Klasse gehen.’
Der Direktor ist entsetzt. Er greift wieder zum Telefon. ,Ist dort die Feuerwehr?’ ruft er. ,Bitte , kommen Sie sofort und bringen Sie einen Krankenwagen mit, einen Arzt, zwei Schwestern und genügend Verbandsmaterial; ein tollwütiger Tiger hat gerade ein paar Kinder meiner Schule verletzt.’
Die Kinder in Klasse 2 b ahnen nichts. Sie wundern sich nur, daß der Erdkundelehrer nicht erscheint, denn sie müßten gerade bei ihm Unterricht haben. Alle drängen sich um Peter, der Susi wieder eingefangen hat.
,Wie niedlich’, rufen die Kinder, ,gib sie mir mal’, aber Peter läßt sie nicht aus der Hand.
Plötzlich laufen die Kinder an das Fenster, denn draußen ist ein großer Lärm. Ein Lastwagen mit einem riesigen Käfig darauf kommt angefahren, vier kräftige Männer, mit Stricken bewaffnet, springen herab. Gerade als sie im Haus verschwinden, rast mit lautem Gebimmel die Feuerwehr um die Ecke, dahinter ein Krankenwagen, aus dem hastig drei weißgekleidete Gestalten klettern.
,Was ist los?’ rufen die Kinder. Aber schon hören sie es den Flur entlangstampfen und vor ihrer Klasse anhalten. Zögernd wird die Tür erst einen Spalt aufgemacht und, als nichts geschieht, aufgerissen.
,Wo ist das tolle Tier?’ ruft ein dicker, schnauzbärtiger Mann, der einen großen Knüppel in der Hand trägt. Hinter ihm stehen noch drei Männer, zwei Krankenschwestern, ein Arzt, fünf Feuerwehrmänner, alle Lehrer und fast alle Kinder der Schule.
Erschrocken schlüpft Susi in Peters Ärmel und hockt dort mucksmäuschenstill.“
„Und weiter, was war dann, was haben die Männer gesagt und die Lehrer?“ riefen die Kinder durcheinander. Aber Oma meinte:
„Das müßt ihr euch selber überlegen, wenn ich weiter erzähle, wird meine Geschichte zu lang, und ihr anderen kommt gar nicht
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