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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
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Notenpapier, setzte sich an den Tisch und fing hastig an, den Eselschrei in Noten auf das Papier zu schreiben. Die anderen verließen auf Zehenspitzen den Raum. Einen Meister durfte man beim Schöpfungswerk nicht stören. An diesem Abend fiel der erste Schnee. Große Flocken segelten vom Himmel herab und legten sich leise auf Büsche und Bäume. Als Oma und die Pieselang-Kinder vor dem Haus standen, um Heiner zu verabschieden, der in die Stadt zurückfahren mußte, ertönte vom Gartenhäuschen her durch den wie verzuckert aussehenden Garten eine sanfte, volle Melodie, ein Trompetenlied voll so bittersüßer Schönheit, daß sich allen, die es hörten, das Herz zusammenzog. Heiner lächelte: „Der Mitternachtsblues“, sagte er, „den spielt Jimmy, wenn er glücklich ist.“

Das große Geschichtenerzählfest

    „Es ist Zeit, daß wir wieder einmal ein Fest feiern“, sagte Oma, und das fanden die Pieselang-Kinder auch. Sie hatten in den letzten Wochen alle fleißig gearbeitet, das Haus renoviert und eingerichtet und das Gartenhäuschen für Jimmy und Peppino instandgesetzt. Oma hatte geschrubbt und Staub gewischt und für Menschen und Tiere gekocht. Die Kinder waren, nachdem sie ihre Schularbeiten gemacht hatten, täglich herübergekommen und hatten die dicken Hunde spazierengeführt und sie und Fiffi gebadet, gekämmt und gefüttert. Sie hatten den Esel Peppino an den Handwagen geschirrt und waren zum Einkäufen in das Dorf gefahren. Frau Hubermeier hatte viel gestickt und einmal ein großes Essen gekocht, Herr Krüger hatte versucht, den kleinen Kater Satan zu erziehen — und das war eine harte Arbeit — , er hatte außerdem für die Pieselang-Kinder Holzschuhe geschnitzt und für Oma ein Paar Schuhe besohlt und für Frau Hubermeier ein Paar Schühchen. Jimmy hatte an seinem Trompetenkonzert gearbeitet. Alle waren so fleißig gewesen, daß sie jetzt ein Fest verdient hatten.
    Die Pieselangs feierten nicht nur die Feste, die andere Leute auch feierten, wie Ostern, Weihnachten, Geburtstag und Silvester. Sie feierten Spielfeste, auf denen „Mensch ärgere Dich nicht“, „Domino“ und „Schwarzer Peter“ gespielt wurde; Kochfeste, bei denen jeder von ihnen etwas kochen mußte; Rätselfeste, Lampionfeste oder auch ganz einmalige, wie Jans Einserfest. Jan war ein ziemlich schlechter Schüler. Das einzige Mal erhielt er für einen Aufsatz eine Eins, als er über die nordamerikanischen Indianer schrieb. Das mußte gefeiert werden. Pieselangs feierten aber auch das Zahnkriegefest , als Rolf einen besonders schönen, kräftigen weißen Zahn bekommen hatte, und das Zahnausfallfest, als Peter seinen ersten Milchzahn verlor. Das Paulchen -Gesundwerde-Fest, als der Wellensittich nach längerer Krankheit wieder munter schwatzend in seinem Käfig saß, das Lindenblütenfest, als Omas Lieblingsbäume besonders schön blühten, und das Regenfest, das sie feierten, als es tagelang geregnet hatte und alle traurig und verdrossen herumliefen. Oma fand, daß das einzige, was jetzt noch helfen könnte, ein Fest wäre. Es wurde eins der schönsten und lustigsten Feste, welches die Pieselangs je feierten, und als sie am Morgen danach aufwachten, schien tatsächlich die Sonne.
    Diesmal aber feierten sie das große Geschichtenerzählfest. Es war ein Sonntag, an dem alle Zeit hatten . Außer den Hausgenossen wurde auch noch der Wachtmeister eingeladen. Er kam mit Stiefeln, die so blank gewichst waren, daß Rolf sich darin spiegeln konnte.
    Nun saßen sie gemütlich in einem großen Kreis um den Küchentisch, auf dem Schalen mit Nüssen, Mandeln und getrockneten Aprikosen standen. In der Backröhre brutzelten Bratäpfel und zischten ab und zu appetitlich. An den wärmsten Stellen in der Küche, am Herd und unter der Heizung, lagen Hunde und Katzen. Die beiden dicken Pudel pflegten immer dicht aneinandergedrängt zu schlafen, und Fiffi lag wie auf einem gemütlichen Sofa obenauf. Er, der einmal so sehr von Hunden verfolgt worden war, beherrschte jetzt die Hundeschar im Haus, vielleicht, weil sein schrilles Gekläff die anderen einschüchterte. Wellensittich Paulchen schaukelte in seinem Käfig, der von der Decke hing, und neckte Hunde und Katzen, indem er sie ab und zu bei ihren Namen rief, was diese in Verwirrung brachte. Der Kater Satan hockte auf Herrn Krügers Schulter, warf wilde Blicke in die Runde und fauchte von Zeit zu Zeit.
    „Wer fängt an zu erzählen?“ fragte Oma.
    „Brigitte“, rief Rolf, „Brigitte soll

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