Villa Oma
schreien und sich in Herrn Krügers Arm geschmiegt. Es war nicht ganz klar, ob er wirklich der einzige war, der mit Katzen umgehen konnte oder ob das Tier nur erschöpft war.
„Ein richtiger Satan“, sagte Ingeborg. Aber Herr Krüger meinte:
„Er ist kein Satan, er hat nur Angst. Es liegt nur daran, daß manche Leute nichts von Katzen verstehen. Ich nehme ihn erst einmal mit zu mir.“
A lle atmeten auf, und Oma konnte nun dem Wachtmeister und Ingeborg in Ruhe das Haus zeigen. Es war alt und grau, mit Zinnen und Türmchen, fast wie eine Burg. Ein großes schmiedeeisernes Tor am Eingang trug ein von Brigitte beschriebenes Schild, auf dem stand:
„Altersheim für Tiere und Tierfreunde.“
Zuerst gingen sie in einen großen Eßraum , dann in Omas Zimmer, in dem ihr Ohrensessel, ihr Bett, ein Tisch und ein Vogelkäfig standen, aus dem ihr Wellensittich Paulchen durch die Stäbe spähte.
„Er ist noch stumm, muß sich erst an die neue Umgebung gewöhnen“, sagte Oma.
Neben Omas Zimmer war die prächtige Küche. Von den restlichen dreizehn Zimmern bewohnte eins Frau Hubermeier mit Fiffi und eins Herr Krüger mit seinem Kater. Die übrigen Räume waren noch leer und warteten auf Pensionäre. Ein paar Hundekörbe standen schon bereit. Vier von ihnen würden jetzt ihre Besitzer finden. Das Hübscheste am Haus war der riesige Garten mit schönen, alten Bäumen, Büschen und Heckenrosen und dem Springbrunnen. In der hintersten Ecke stand ein kleines Gartenhaus, das mit seinem geschwungenen Dach wie ein chinesischer Pavillon aussah. In einem seiner beiden Zimmer wohnte der Esel Peppino.
Im Augenblick graste er vor dem Haus. Als er Oma, Ingeborg, den Polizisten, die Kinder und die vier Hunde kommen sah, spähte er erst scharf, ob sie ihm etwas zu fressen brachten. Als er nichts bei ihnen entdeckte, drehte er ihnen den Rücken zu und ließ nur seinen baumelnden Schwanz sehen.
„Und das gehört alles dir?“ fragte Ingeborg ganz überwältigt.
Ja, es stimmte. Es war alles beim Rechtsanwalt aufgeschrieben und rechtsgültig gemacht worden. Frau Hubermeier hatte Oma das Haus geschenkt unter der Bedingung, daß es ein Altersheim für Tiere würde, und daß sie zeitlebens darin wohnen könne und versorgt würde. Eine Klausel des Vertrages besagte, daß Frau Hubermeier einmal im Monat das Recht haben wollte, für die ganze Belegschaft des Hauses eine große Mahlzeit zu kochen.
Im Keller hatte sich Herr Krüger eine Schusterwerkstatt eingerichtet. Da er eine gute Rente bekam, besohlte er Schuhe nur zum Spaß. Aber ganz lassen mochte er es nicht, und so hatten alle Hausbewohner immer umsonst gut gepflegtes Schuhzeug.
„Aber wozu braucht ein Schuster eine Hobelbank?“ fragte der Wachtmeister und zeigte erstaunt auf den großen Tisch, den eigentlich nur ein Tischler benötigte.
„Das ist eine Liebhaberei von Herrn Krüger“, erklärte Oma. „Als junger Mann hat er in Holland gearbeitet und dort gelernt, Holzschuhe zu machen. Ab und zu hat er Lust, wieder einmal ein Paar herzustellen. Zur Zeit fertigt er welche für unsere Kinder an.“
Sie hob vom Fußboden einen kleinen, weißen Holzschuh mit vorne hochgebogener Spitze und zeigte ihn Ingeborg und dem Polizisten. Er war so zwergenhaft winzig, daß unschwer zu erkennen war, daß er für Rolfs schmale Füßchen bestimmt war.
Der Wachtmeister mußte noch Frau Hubermeier besuchen, die ihn sehr bewunderte. Als er auf sein Klopfen und ihr „Herein“ hin bei ihr eintrat, saß sie in einem lila Morgenrock am Fenster und stickte. Fiffi schlief zusammengerollt neben ihr in seinem Körbchen. Frau Hubermeier nötigte den Wachtmeister zum Sitzen, flatterte im Zimmer herum und holte Kekse, eine Flasche Portwein und zwei Gläser herbei.
„Nun“, fragte sie, als sie sich gegenübersaßen, „war das nicht eine wunderbare Idee von mir? Was meinen Sie? Ich bin sonst keine sehr kluge Frau, aber der Gedanke, das Haus zu verschenken, war wirklich nicht dumm. Ich bin die Sorge darum los. Ich bin nicht mehr allein und ängstige mich nicht mehr. Wenn wieder einmal eingebrochen wird“, hier lächelte sie den Wachtmeister an, „dann brauche ich Sie nicht um Ihre wohlverdiente Nachtruhe zu bringen. Außerdem kocht Oma Pieselang ausgezeichnete Diät. Das habe ich nie gekonnt. Ich kenne nur Rezepte, bei denen viel Butter und Sahne verwendet wird. Frau Pieselang aber kann die leckersten Rohkostgerichte machen, daß sie sogar mir schmecken. Ich habe schon zwanzig Pfund abgenommen. Aber
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