Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
ist eine beliebte Art, eigenes Fehlverhalten herunterzuspielen.
Wir haben sofort eine Lehrerkonferenz einberufen und explizit ein
Brecheisenverbot ausgesprochen. Als unterrichtsfremder Gegenstand war
ein Brecheisen selbstverständlich auch vorher nicht etwas, das in einer Schultasche
was zu suchen gehabt hätte. Strafen verhängten wir im Nachhinein keine, da
nichts passiert war, also niemand zu Schaden gekommen ist. Aber wir
drohten Strafen an, falls noch einmal bei irgendeinem Schüler ein Brecheisen
gefunden werden sollte. Für die Jungs war es ein Phallussymbol, auch wenn sie
sich dessen vermutlich nicht einmal bewusst waren. Sigmund Freud hätte an
dieser Sache seine wahre Freude gehabt!«, sagte der Dr. Pfeifer.
»Und jetzt vermuten Sie, eines dieser Brecheisen könnte die Tatwaffe
gewesen sein?«, fragte die Koch, weil nur so konnte sie sich das Erschrecken
des Schulleiters erklären, als die Rede auf ein Brecheisen als mögliche
Tatwaffe gekommen war.
»Der Villapark ist gleich hier um die Ecke. Kann gut sein, dass nicht jedes
Brecheisen wieder ordnungsgemäß mit nach Hause genommen worden ist, zumal
bestimmt so mancher Schüler eines hatte, das gar nicht von zu Hause stammte. Abwegig
wäre es daher nicht, wenn das eine oder andere Brecheisen hinter einem Busch im
Villapark ›entsorgt‹ worden wäre!«,
antwortete der Dr. Pfeifer. Der Schweiß, den dieses Gespräch auf seine Stirn
getrieben hatte, war nicht zu übersehen.
Der Pirzer schaute den Schulleiter irgendwie durchdringend an, als ob
er zu dessen Worte noch etwas hinzugefügt haben wollte.
»Wir werden das überprüfen!«, sagte er statt dessen nur.
»Wir bräuchten eine Liste aller Schüler, bei denen Sie ein Brecheisen
gefunden haben! Name, Adresse, Telefon! Bitte faxen sie uns die Liste so
schnell wie möglich zu!«, fügte die Koch hinzu und gab dem Dr. Pfeifer ein
Kärtchen mit der entsprechenden Faxnummer der Kripo Regensburg.
»Selbstverständlich! Ich werde das sofort anordnen. Unser
Sicherheitsbeauftragter Dr. Gleichmut müsste ohnehin fürs Protokoll der
besagten Lehrerversammlung zum Thema ›Brecheisen‹ bereits eine derartige Zusammenstellung gemacht haben.«
»Wunderbar! Dann kann es ja nicht lange dauern! Da wir nicht ausschließen
können, dass jemand aus Ihrer Schule der Tat verdächtigt werden wird, rechnen
Sie bitte damit, dass dieser Besuch bei Ihnen nicht unser letzter sein wird!«,
sagte der Pirzer und verabschiedete sich zusammen mit der Koch von dem
Schulleiter, dem der Gedanke an weitere Polizeipräsenz an seiner Schule
gar nicht angenehm war.
Nicht, dass du jetzt denkst, der Dr. Pfeifer würde irgendetwas
vertuschen wollen. Wenn er das wirklich gewollt hätte, dann hätte er von den
Brecheisen gar nichts erwähnen dürfen. Nur, ganz ehrlich gesagt, er hätte
auch gar nichts erwähnt, wenn er klar hätte denken können. Man möchte zwar
meinen, so ein Schulleiter, der müsste immer klar denken können. Aber in
Extremsituationen Fehlanzeige. Und dass die Kripo die eigene Schule in
Verbindung mit einem brutalen Mord bringt, das quasi Supergau, was
Extremsituation betrifft! Schlimm genug, dass eine Schülerin seines
Gymnasiums ermordet worden ist. Was den Ruf der Schule betrifft, schon
allein die Möglichkeit einer eventuellen Täterschaft aus dem Kreise der Schüler
vom AAG, eine echte Katastrophe!
Da gehen dir als Direktor sofort Schulen in Deutschland und wer weiß sonst
noch wo durch den Kopf, wo ein Schüler oder zumindest ein ehemaliger
Schüler Amok und so. Und für solche Situationen hast du als Direktor präventiv,
wenn überhaupt, höchstens eine zweistündige Fortbildung absolviert, weil
Situation ja quasi nicht alltäglich und an den meisten Schulen ein ganzes
Lehrerleben lang irrelevant. Und der Dr. Pfeifer in der Tat nicht einmal eine
zweistündige Fortbildung. Hat damals seinen Stellvertreter, den StD Dr. Num
hingeschickt. Und der momentan im Krankenstand. Einzige Rettung der Dr.
Gleichmut, der Sicherheitsbeauftragte! Der hatte seinen Doktortitel
glücklicherweise nicht in Französisch oder Latein gemacht und auch sonst in
keinem direkten Unterrichtsfach. Für den seinen Doktortitel untersuchte
der Kollege Gleichmut empirisch das soziale Gefüge eines bayerischen
Gymnasiums. Zwar war das ein Gymnasium in München, aber schlimmer als in
München dürfte es in Regensburg ja kaum aussehen. Freilich, von einem Mord an
einem Münchner Gymnasium war dem Dr. Pfeifer nichts bekannt, höchstens von der
einen
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