Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
zwei Mal noch nie gesehen, geschweige denn mit dir gesprochen. Aber
die Evi weiß von unserer Clara, dass du ein Kripobeamter bist. Wenn du dich
dann zu Hause am Kaffeetisch auch noch aufführst wie bei einer Vernehmung,
dann zieht sich so ein Kind doch eher nur in sich selbst zurück. Schüchtern ist
die Evi ja auch ohne einen Kriminaler am Tisch schon genug«, sagte die Anna
etwas anklagend.
Aufgeführt hatte er sich! Aufgeführt wie bei einer Vernehmung! Na ja,
vielleicht hatte die Anna gar nicht so unrecht. Genau genommen hatte er ja
wirklich sein automatisches Befragungsritual abgespult. Und das vor einem
10jährigen Kind! Wo ist da die berühmt berüchtigte Psychologie geblieben?
›Herrgott nochmal! Wie habe
ich mich nur derart naiv anstellen können?‹ , dachte der Köstlbacher
»Du hast recht! Es tut mir leid!«, entschuldigte er sich bei der Anna, weil
die hätte ihm gegenüber nichts Weiteres mehr erzählt, wenn er seinen Fehler
nicht zugegeben hätte. Dafür kannte der Edmund die Anna nur zu gut. Der Anna
musst du einfach Oberwasser lassen, dann kannst du von ihr Kooperation
erwarten. Ansonsten macht die schneller dicht als unsere Nationalelf,
wenn’s drauf ankommt.
»Nicht, dass ich die Münzers besonders gut kennen würde, aber ganz
unbekannt sind sie mir auch nicht. Schließlich habe ich unsere Clara schon oft
zu denen gebracht und auch wieder abgeholt, obwohl ich das inzwischen
schon länger nicht mehr machen durfte, weil die Clara mit ihren 10 Jahren nicht
mehr wie ein Kindergartenkind behandelt werden will. Und damit hat sie auch
recht! Ich würde sagen, die Münzers sind ein ganz normales Ehepaar. Das
schwarze Schaf in der Familie ist, beziehungsweise war, die Doris.
Schulisch gesehen hat sie ihren Eltern wohl kaum Probleme gemacht. Soweit ich
von der Evi weiß, ist die Doris sogar eine von den besseren Schülerinnen ihres
Jahrgangs gewesen. Aber privat war sie nicht zu bändigen. Angeblich hat sie
alles ausprobiert, was so ein Mädchen auch nur irgendwie ausprobieren kann!«,
sagte die Anna.
»Kannst du das etwas genauer formulieren?«, unterbrach da etwas ungeduldig
der Edmund.
»So im Detail weiß ich es ja auch nicht. Was man sich eben so erzählt!
Illegale Sachen eben, Drogen! Keine Ahnung! Und Sex! Wer wollte, der durfte!
Und wenn zwei oder drei gleichzeitig wollten, dann war das für sie auch kein
Problem. Auch mit Frauen soll sie rumgemacht haben!«, sagte die Anna.
Das musste an dem hervorragenden Rotwein gelegen haben, den die
Köstlbachers kredenzt bekommen haben, weil sie das Überraschungsmenü mit
Weinfolge beordert hatten. So hatte der Edmund jedenfalls seine Anna schon eine
Ewigkeit nicht mehr erlebt, ich meine so wenig zurückhaltend und mit einem
Wortschatz so frei über Dinge redend, die die Anna zum Leidwesen vom Edmund
eher selten zum Thema machte, viel zu selten!
»Nun sag’ bloß, das weißt du auch alles von der kleinen Evi?«, fragte der
Köstlbacher, meinte die Frage aber natürlich nicht richtig ernst, eher
rhetorisch, weil er einfach wusste, dass die Anna mit einem 10jährigen Mädchen
nicht über derartige Dinge reden würde.
»Wo denkst du hin!«, sagte die Anna. »Aber ich komme mit vielen Leuten aus
dem Viertel zusammen, wenn der Tag lang ist. Und der ist ohne dich oft sehr
lang!«, fügte sie mit einem leichten Seitenhieb hinzu. »Die Münzers wohnen ja
ganz in unserer Nähe und die Wohnung der Doris, jetzt natürlich ihre
ehemalige Wohnung, die ist noch näher. Menschen, die anders sind als
andere, solche Menschen bleiben eben meist nicht unbemerkt. Jeder kennt sie und
viele reden über sie. Und die Doris war anders als die meisten Leute, die ich
kenne, total anders jedenfalls als jede Frau, die ich kenne. Und wenn sie auch
noch jung war, eine Frau war sie trotzdem schon lange!«
»Und du meinst, ihr Anderssein hat was mir ihrer Ermordung zu tun?«,
fragte der Edmund.
»Das musst du raus bekommen. Du bist der Kriminaler! Aber eines ist sicher: ›Wer das Feuer nicht meidet, dem kann es
schon passieren, darin zu verbrennen!‹ Das Sprichwort heißt zwar irgendwie
anders, aber nach all dem Wein erinnere ich mich nicht so genau!«
Da kratzte sich der Köstlbacher am Kinn. Weil, eines kannst du mir glauben,
mit allem hat der Köstlbacher vor diesem Abend gerechnet, mit allem! Aber ganz
bestimmt nicht damit, dass dieser Abend im Rosenpalais ihn ermittlungstechnisch
voran bringen würde. Da sollte man wirklich mal ernsthaft darüber
nachdenken, ob es nicht
Weitere Kostenlose Bücher