Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
dass die MZ es schafft, jeden Tag eine neue Zeitung zu
drucken. Ist aber nichts dabei gewesen in letzter Zeit, das ich dir nach
Erlangen hätte schicken können!«, sagte der Köstlbacher und tat damit das
Seinige, die entspannte Atmosphäre dieses dienstlichen Treffens zu bewahren.
»Muss auch nicht sein!«, sagte der Dr. Kroner. In unserem Kühlhaus musst du
dich eh bald voranmelden, wenn du da noch eine Einlagerung machen lassen
willst.«
»Echt? So viel los bei euch?«, fragte der Köstlbacher.
»Eigentlich geht es so. Aber da gibt es eben immer wieder so Dauerbesetzer
wie euer Haufen, der glaubt, wir sind hier ein Hotel für nicht beerdigte
Leichen!«, antwortete der Dr. Kroner, meinte das Gesagte allerdings
keineswegs so ernst, wie er es hatte klingen lassen.
»Dem kann abgeholfen werden! Die Familie drängt sowieso schon
lange auf Freigabe der Leiche. Aber wir sind in unseren Ermittlungen so was von
stecken geblieben, da wollten wir auf die Leiche nicht ganz verzichten.
Drum habe ich dich ja kürzlich auch gebeten, das ganze Untersuchungsprogramm
durchzuziehen, damit bestimmt keine Fragen mehr offenbleiben. Wenn die Leiche
erst einmal weg ist, ist der Zug für weitere Untersuchungen abgefahren. Die
Münzers wollen den Leichnam nämlich verbrennen lassen!«
»Aha! Na dann kommt einmal mit. Ich zeige euch, was ich noch alles gefunden
habe!«, sagte der Dr. Kroner, machte mit seiner rechten Hand eine einladende
Geste und ging den beiden voran zum Kühlhaus.
Auf der Fahrt von Regensburg nach Erlangen, da hatte der Liebknecht ja
gewissermaßen Ablenkung, weil er am Steuer. Aber jetzt reichte ihm schon allein
der Formalingeruch, der ihm wie ein schweres Parfüm vom Kühlhaus
entgegenschlug.
Dem Köstlbacher machte das kaum etwas aus. Hätte er sich seiner Zeit nicht
für die Kripo entschieden, mit so einem Job wie dem vom Dr. Kroner, mit so
einem hätte er sich auch anfreunden können. Absolut interessanteste Teildisziplin
der Forensik! Freilich musst du da erst einmal Medizin studieren. Und da wäre
schon vorab die Abiturnote vom Köstlbacher ein Hindernis gewesen. Nicht, dass
sie besonders schlecht gewesen wäre. Nein, aber besonders gut war sie eben
auch nicht.
Und in diesem Augenblick, wo der Köstlbacher über seine verpasste
Berufsorientierung sinnierte, da schlechtes Gewissen, weil er sich nicht
ausreichend um die schulischen Belange von seinem Karl kümmerte. Vielleicht
würde der beruflich auch einmal an seinen durchschnittlichen Noten scheitern,
die mit etwas mehr väterlicher Unterstützung bestimmt besser sein könnten.
Zumindest hat die Anna das schon oft behauptet.
Das Gefühl in so einem Kühlraum ist schon gewöhnungsbedürftig. Allein
das Wissen, dass hinter jedem dieser Türchen eine Leiche liegt, zumindest
hinter fast jedem Türchen, da bist du dem Tod schlagartig nicht nur näher. Du
bist momentan quasi auf du und du mit ihm.
Solche Gefühle dürften dem Dr. Kroner schon vor Jahren abhandengekommen
sein, falls er sie überhaupt jemals hatte. Weil, wenn du in so einer Umgebung
dein halbes Leben verbringst und dann noch mehr oder minder tagtäglich an
den Leichen rumschnipselst, sie aufschneidest, Organe entnimmst,
Mageninhalte analysierst, Einschusslöcher und Messerstiche überprüfst
und was weiß ich sonst noch alles, dann darf dich das gefühlsmäßig nicht
negativ belasten. Mehr noch! Du musst sogar Spaß dabei haben und echte Freude
entwickeln können. Wie sonst wäre es möglich, so einen Job ein halbes Leben
lang zu machen.
Welcher Art diese Freude am Beruf eines Gerichtsmediziners sein
könnte, da habe ich mir schon oft Gedanken darüber gemacht. Der
Köstlbacher hat einmal gemeint, dass so einer sich eben freut, wenn er mit
seinen Untersuchungsergebnissen Entscheidendes zur Aufklärung so mancher
Gewaltverbrechen beitragen kann. Der Liebknecht, dem diese Arbeit nur
einen Würgereiz abverlangt, der war hingegen der Ansicht, dass du schon einen
sehr morbiden Charakter haben musst, wenn dir diese ›Scheiß Arbeit‹ Spaß macht.
Ich muss sagen, die Auffassung vom Liebknecht, die teilen viele Menschen,
sogar Schriftsteller. Wenn in so einem Schriftstellerhirn ein Serienkiller
geboren wird, dann ist das am Ende nicht selten ein Gerichtsmediziner. Dem
traut man einfach alles zu, so abgestumpft gegenüber dem Leben, wie der sein
muss.
Wie der Dr. Ernst Kroner aber in den nächsten 20 Minuten zu seiner
Höchstform aufgelaufen ist, da hat sogar der Liebknecht, zumindest was den
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