Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
Leute süchtig nach Katastrophen.
Nicht, dass sie welche erleben wollen! Gott bewahre! Aber darüber lesen,
wie brutal es in der Welt zugeht und wie viele sich gegenseitig die Köpfe einschlagen,
das jederzeit und immer wieder gerne. Die dazugehörigen Meldungen
in der Tageszeitung ersetzen vielen Erwachsenen das Lesen von einem Thriller,
in dem womöglich seitenweise gar nichts Prickelndes, und in dessen Verwirrspiel
um den Serienkiller sich so viele Personen einreihen, dass Stichwortzettel
nötig, willst du da gedanklich noch Schritt halten.
Wenn dann einmal hier in Regensburg was passiert, dann ganz anderer Bezug!
Da kennst du quasi jede Straße, jeden Platz, jedes Gebäude und jeden Winkel und
bekommst am Abend das Gruseln, wenn du weißt, dass hier oder dort einer real
ermordet worden ist. Unter Umständen nimmt so eine Tat, wenn sie quasi schon
geschichtlich geworden, die ›Stadtmaus‹ mit in ihr Programm auf, in seltenen Fällen sogar das Stadttheater. Würde mich
zuletzt gar nicht wundern, wenn die Bluttaten dieses Sommers eines Tages sich
in diese eher seltenen Fälle einreihen würden.
Allein schon das Leben der Doris, so wie es bisher rekonstruiert
werden konnte, reicht, um einen ganzen Theaterabend damit zu gestalten,
zumindest dramaturgisch gesehen. Weil ein Drama, das war ihr Leben, von Anfang
an.
Was als Baby mit ihr passiert ist, das wird wohl auch der Köstlbacher nicht
mehr ans Tageslicht bringen können. Woher nun wirklich die Vernarbungen,
die der Dr. Kroner entdeckt hat, stammten, das konnten dem Köstlbacher
auch ein paar Fachärzte, von denen sich die Kripo schon öfter Auskunft in
Ergänzung zu einem gerichtstauglichen Gutachten geholt hatte, nicht schlüssig
sagen. Fakt war aber auf alle Fälle, dass die Doris keine wirklich schöne
Babyzeit gehabt haben konnte, egal ob sich nun an ihr brutal vergangen worden
ist, ob an ihr rumgespielt worden ist oder ob die Vernarbungen nur eine
Reaktion ihres Körpers auf innere Entzündungen oder eine Viruserkrankung
war.
Vielleicht verbrachte sie die folgenden Jahre relativ normal. Weitere
Ermittlungen, vor allem im Verwandten- und Bekanntenkreis würden das
hoffentlich noch klären. Was schätzungsweise in den vergangenen 10 Jahren,
dem Zeitraum, den die Doris am Gymnasium verbrachte, abging, darauf würde sich
in den nächsten Tagen die Arbeit der Kripo am meisten konzentrieren.
Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich jetzt fragst, warum die
Kripo erst jetzt mit Vollgas, wo die Doris doch schon am 1. Mai und so. Und da
bin ich ausnahmsweise einmal ganz deiner Ansicht. Auch wenn der Köstlbacher
vieles erst seit seinem letzten Besuch beim Dr. Kroner weiß. Selbst dieses
komplette Obduktionsprogramm, das hätte er schon viel früher anordnen
können, ja sogar sollen!
Aber eines musst du wissen, der Köstlbacher schlauer, als wir alle
zusammen! Weil der Kripo und nicht Laie wie du und ich! Also sollten wir nicht
jetzt schon vorschnell besserwissend urteilen. Kann gut sein, dass die
Arbeit vom Köstlbacher System, viel mehr System, als es nach außen hin den
Anschein hat.
Zum Dr. Huber hat er beispielsweise gesagt, dass es nichts taugt, wenn nur
auf Vermutungen hin gleich Festnahmen und so. Weil, was kommt dabei heraus?
Nichts! Gar nichts! Die 24 Stunden, die du einen Verdächtigen ohne richterlichen
Beschluss fest halten kannst, die sind gleich rum. Und wie willst du in 24
Stunden auf einmal handfeste Beweise für deine Bauchgefühle heranschaffen, die
dem Richter reichen? Manchmal dauert es eben ein bisschen länger, bis ein Fall
gelöst werden kann. Auch wenn es danach aussieht, dass es absichtlich
länger dauert, damit die Mordkommission mangels adäquater Arbeit nicht wieder
der Steuerfahndung beim Festplatten Durchstöbern aushelfen muss.
Aber jetzt, nach dem Mord am Faltenhuber, zumindest jetzt kann so ein
Argument nur noch als blanker Unsinn bezeichnet werden, weil jetzt ein
zweiter Fall. Und somit Arbeit im Überfluss! Und dabei denke ich bestimmt an
keine weiteren Festplattensichtungen!
Dass der Pirzer und die Koch dann trotz alledem Festplattendurchforstung,
das lag daran, dass der Faltenhuber zwei Rechner, einen in seinem Büro und
einen in seiner Wohnung in der Schnupfe. Also genau für jeden der beiden
Kriminaler einer, den es auf irgendwelche Dateien zu durchsuchen
galt, die Hinweise auf ein Mordmotiv, vielleicht sogar auf den Mörder selbst
liefern könnten. Dass der Pirzer und die Koch das machen mussten, den Grund
dafür
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