Villapark - Koestlbachers zweiter Fall
kannst du dir schon denken. Die beiden waren die einzigen im Team, die
das wegen ihrer Leiharbeiterfahrung in anderen Kriminalpolizeiabteilungen
schon quasi routinemäßig drauf hatten.
Den Rechner von der Doris hatte der Köstlbacher schon in den ersten
Maitagen sichten lassen. Leider ergab der Inhalt keines Ordners irgendeinen
Hinweis auf irgendetwas, was ermittlungstechnische Brisanz hatte. Außer den
Ergebnissen vom Dr. Kroner, auf die hin der Pirzer und die Koch noch
einmal eine genaue Tatortbegehung gemacht hatten, lagen keine neuen
Erkenntnisse vor, die den Tod von der Münzer näher beleuchtet hätten. Vom
Prinzip her war inzwischen alles nur noch undurchsichtiger geworden.
Weil, eines darfst du nicht vergessen, inzwischen nicht einmal mehr
sicher, ob der Mord an der Doris Münzer tatsächlich ein Mord. Laut
Pirzer/Koch hätte sich die Doris auch bei einem Sturz über die Mauerbrüstung an
dem Fahnenstangeneisen, das unterhalb aus der Mauer ragte, ihre todbringende
Schädelverletzung und beim Aufprall tief unten die erheblichen inneren
Verletzungen zuziehen können. Die Spurensicherung war zwar nochmal vor
Ort, konnte aber erwartungsgemäß nichts mehr finden. Bliebe, egal ob die
Münzer nun da hinunter gestürzt ist oder nicht, noch die Frage, ob sie in
selbstmörderischer Absicht gehandelt hat oder ob sie gestoßen worden ist.
Und weil sie vorher Koks konsumiert hatte, war sogar die
Wahrscheinlichkeit gegeben, dass sie in ihrem Rauschzustand ganz von alleine
das Übergewicht bekommen hat. Ihre Schwangerschaft hat dagegen mehr das
Suizidmodell favorisiert.
Fragt sich letztlich nur, wie sie dann hoch in den Villapark gekommen ist.
Die Kopfverletzung musste laut Arztgutachten sofort zum Tode geführt
haben. Also stürzte die Doris entweder nie über diese Mauer und wurde von
jemandem im Park oben erschlagen, oder sie stürzte doch über diese Mauer, ob
mit oder ohne Fremdeinwirkung, und wurde dann von einer oder mehreren Personen
hoch in den Park getragen und dort abgelegt.
Wurde sie tatsächlich von der Uferpromenade unterhalb der Mauer nach oben
in den Park gebracht, dann stellt sich die Frage, warum man sie nicht unten hat
liegenlassen?
Für die Mauersturztheorie, egal ob in Form eines Suizids, in Form eines
Unfalls oder in mörderischer Absicht, spricht das fehlende Blut im Erdreich
unter dem Kopf der Leiche, das dort eine weitaus größere Menge Erde hätte
kontaminieren müssen, als dies nachgewiesen werden konnte. Folglich ist
der Fundort nicht gleich dem Tatort. Unsicherheitsfaktor: Starker Regen in den
Morgenstunden vor dem Auffinden der Leiche konnte Untersuchungsergebnisse kontaminierten
Erdreichs verfälscht haben. Vor Gericht zumindest wären nach Lage der
Dinge diese Werte höchst zweifelhafte Indizien.
All diese Gedanken gingen dem Köstlbacher durch den Kopf. Jetzt umso mehr,
weil er sie vor wenigen Minuten schon einmal im Beisein vom Dr. Huber erläutert
hatte. So ein Rapport beim Chef hat auch seine guten Seiten, weil da bemühst du
dich zwangsläufig, deine Ermittlungsergebnisse geordnet darzustellen. Beim
allmorgendlichen Briefing sollte das zwar auch passieren, aber die Zusammenfassung
kam meistens zu kurz, weil Tagesarbeitsplanung vorrangig.
Als der Dr. Huber wieder in sein Büro gegangen war und der Köstlbacher noch
ein paar weitere Minuten sinnierend vor seiner Pinnwand stehen geblieben ist,
da verwunderte es ihn irgendwie, wie viel er doch dem Dr. Huber bezüglich der
Doris Münzer erzählt hatte und wie wenig über den ermordeten Stadtrat
Willi Faltenhuber geredet worden ist.
Dabei darfst du eines nicht vergessen: Alles, was von der Münzer inzwischen
bekannt geworden ist, hat etwas Schwammiges an sich. Hingegen die
bisherigen, wenn auch noch mageren Erkenntnisse, was den Faltenhuber
betrifft, die sind Fakt. Vielleicht ist es im Leben so, dass du Probleme
leichter in den Griff bekommst, wenn du viel darüber laberst. Und die Doris
Münzer war im Augenblick für den Köstlbacher eindeutig das größere Problem. Den
Mörder vom Faltenhuber musste er natürlich auch finden. Aber ganz in
seinem Innersten war das zweitrangig. Der Faltenhuber war tot. Und außer, dass
er nun in keiner Sache mehr befragt werden konnte, berührte den Köstlbacher der
Tod von dem schmierigen Stadtrat nicht sonderlich.
Für einen Bruchteil von Sekunden, als der Köstlbacher seine Gedanken auf
der Fahrt von Erlangen nach Regensburg im Auto in aller Ruhe sortiert hat,
da war er nahe dran gewesen, einen
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