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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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und weil sie mehr sah, als nötig wäre. »Aufhören!« Ein Schmerz wie glühendes Eisen fuhr in ihren Arm, als Tausende Kristalle sich in Bewegung setzten, sich verschränkten und verwandelten. Was eben als arktische Kälte erschien, wurde übergangslos sengende Hitze. Eliza taumelte zurück und sah schmutzigen Rauch aus einer zerrissenen Hand hochwirbeln. Sie hörte eine unheimliche Stille sich über das Gebirge senken: Hatte sie die Maschinen tatsächlich gestoppt, oder war es die Ohnmacht oder gar der Tod? Marek erreichte sie nicht mehr, ehe sie umfiel und dabei das Gefühl hatte, irgendetwas oder irgendjemand wäre dabei, sie langsam und entschlossen zu zerreißen.

10. Die Geschichte von Mechin und Will
    Mechin, der Arzt, dachte oft, wenn er allein in seiner winzigen Unterkunft lag, an die Legenden und bedrohlichen Geschichten, die über die VILM VAN DER OOSTERBRIJK erzählt werden mochten. Der Regen gurgelte durch die Ruinen, und jeder Tag sah genauso bleischwer aus wie der andere, aber anderswo ging das Leben schließlich weiter. Wahrscheinlich bekam jeder Raumfahrer auf Atibon Legba in der Ausbildung die wildesten Märchen zu hören, jedem unachtsamen Piloten, jedem oberflächlichen Techniker, allen schlampigen Informatikern würde die Buhmann-Geschichte erzählt: Denkt nur daran, wie es der OOSTERBRIJK erging! Sehr hilfreich. Kaum anzunehmen, dass irgendwer auf A.L. den Hauch einer Ahnung hatte, was tatsächlich geschehen war.
    Ein einzelnes Trümmerstück weit weg von der Hauptmasse des Weltenkreuzers diente als Unterkunft. Der Arzt war der einzige der Überlebenden, der eine kleine Kabine für sich hatte; die anderen meinten nämlich, ihren einzigen Arzt müssten sie hegen und pflegen. So war Mechin zu dem gekommen, was er bei sich bald Einzelzelle zu nennen anfing. Sie lag oben, unter der Panzerung. Er hatte es trocken dort und warm. Das waren zwei bedeutende Vorteile auf einem Planeten, der sich durch reichliche Niederschläge auszeichnete. Mechin musste bei Bedarf zu den anderen im wahrsten Sinne des Wortes hinabsteigen, auf halb abgerissenen, schwankenden Stiegen, die zwischen Schiffsrumpf und abgespreizter Panzerung befestigt waren. Einige der Räume im Wrackteil waren bewohnbar gemacht worden, und so kam der Arzt, wenn er hinaufkletterte oder hinabstieg, an den Kammern vorbei, in denen Kranke und Verletzte lagen. Es gab keine Lampen dort, nur matt glimmende Leuchtstäbe, die keinen Strom verbrauchten. In ehemaligen Lagerräumen hatte man behelfsmäßig eine medizinische Station eingerichtet. Sie war nicht überfüllt. Schwierigere Fälle konnte Mechin mit seinen sehr beschränkten Mitteln ohnehin nicht heilen. Es war schwer ... Für die manchmal todkranken Leute war Doktor Mechin der Mann, der sie gesund machen würde. Und er konnte es nicht. Nicht mit dem, was er hatte.
    Männer zogen jeden Tag los, um in den Ruinen nach Brauchbarem zu suchen. Die älteren Kinder wurden mit den wenigen Waffen ausgestattet, um Tiere fernzuhalten. Munition war genug da. So war man wieder zu Jägern und Sammlern geworden. Das Unglück aber: Es waren viele Kinder dabei, über die Hälfte davon unter acht Jahren. Mechin durfte gar nicht daran denken. Sie atmeten die Luft eines fremden Planeten und ernährten sich von seinen Früchten, die Mechin irgendwie untersuchen musste. Wer sonst sollte es tun, wenn nicht der Arzt – und so saß Mechin oft verzweifelt vor seltsam geformten Gegenständen und kämpfte mit dem Impuls, das Zeug so schnell es ging wegzuwerfen. Noch schlimmer war es, wenn die Leute versuchten, Tiere zu essen ... Ja, auch einheimische. Das war noch ekliger. Hauptsächlich freilich Nachkommen von irdischen Tieren, die aus dem Park des Weltenkreuzers stammten und es irgendwie geschafft hatten, den Absturz zu überleben: Ziegen. Ja doch, gerade eben essbar, befand der Arzt, mit ein bisschen Überwindung. Immer noch besser als das eingeborene Viehzeug, das er weder richtig untersuchen noch einordnen konnte.
    Nur Mechin und die Kranken hatten Unterkünfte im Wrackteil selbst. Die anderen hatten sich, so gut es ging, im Vorgebirge eingerichtet. Vorgebirge nannte man das Gebiet vor den eigentlichen Ruinenfeldern, auf dem verschiedene kleinere Bruchstücke herumlagen. Die handlicheren hatten die Schiffbrüchigen halbkreisförmig zusammengeschoben, als Schutzwall.
    In die Behausungen des Vorgebirges wurde der einzige Arzt der Gruppe immer öfter gerufen. Es fing bei den Kleinsten der Kleinen an und grassierte

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