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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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würde, wäre es krank. Es wurden Wunder von Mechin erwartet; Kinder fürchteten ihn. Mechin war der Mann, der Kinderhälse zerschnitt. Auch wenn den Kindern alle Zusammenhänge erklärt worden wären, Mechin würde der Unhold bleiben. Und bestimmt gab es Eltern, die ihren Nachwuchs zu Warmanziehen und zeitigem Heimkommen und so weiter anhielten, indem sie Dinge wie »Wenn du das nicht machst, muss der Doktor Mechin dir den Hals aufschneiden« sagten.
    Das schweigende Paar kam in dem Haus an, oder in dem, was ein Haus sein wollte: Da war Licht. Das einzige in weitem Umkreis. Die anderen hatten ihre Behausungen verdunkelt, als würde ein bisschen Licht der Krankheit den Weg weisen. Frau Carlos stand vorm Eingang und sah Mechin hoffend und ängstlich entgegen. Sie bekam dadurch etwas Bittendes. Der Arzt konnte das auf den Tod nicht ausstehen, dieses Hofieren. Als sei er persönlicher Bote des Sensenmannes, den man sich mit freundlichem Verhalten günstiger stimmen könnte und weniger gnadenlos. Als ob von ihm abhinge, ob eines lebte oder starb – etwas tat es das. Zum kleineren Teil. Sie bot Mechin zunächst etwas zu trinken an, und zwar etwas ganz Seltenes auf Vilm – einen utragenorianischen Äthyltee; diese flachen Schalen mit merkwürdig schmeckendem Gebräu, auf dessen Oberfläche bunte Schlieren schwimmen. Der Arzt sah die Frau an, als sei sie übergeschnappt. »Ich bin nicht zu Besuch«, sagte er brüsk, »und ich bin nicht zum Tee gekommen.«
    Frau Carlos warf ihm einen leidenden Blick zu, das Unvermeidliche ließ sich nicht mehr hinauszögern. Der kleine Will erwartete den Besuch drinnen. Er saß auf dem Schoß seines Vaters und sah dem Ankömmling ausdruckslos entgegen. Carl Carlos hatte beide Kleinen, Will und Teresa, lieb gewonnen und hatte sie sozusagen adoptiert. Carl junior und seine zehnjährige Schwester waren begeistert gewesen von den neuen Familienmitgliedern. Eine Idylle also, in die Mechin hineingeriet mit Arzttasche und Arztgesicht. Will war ein Junge von viereinhalb Jahren, ein stämmiger kleiner Kerl mit rundem Gesicht, stoppelkurz geschnittenen schwarzen Haaren und lebhaften braunen Augen, die den Doktor unverwandt anschauten und gar nichts auszudrücken schienen. Der Bengel war von jenem robusten Typ, den nie etwas umwirft, es sei denn, es kommt richtig schlimm; der Typus, der Zeit seines Lebens dazu verurteilt ist, seinem Idealgewicht ein paar Kilo voraus zu sein. Mechin merkte schnell, dass der Junge ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Er sah gesund aus, doch zeigten seine Augen einen Glanz, der dem Arzt nicht gefallen wollte, und es standen Schweißtröpfchen auf seiner Stupsnase, obwohl es nicht warm war in der ausgehöhlten Schale des Panzerkäfers.
    »Er hat Fieber«, sagte die Mutter – die Pflegemutter, um genau zu sein –, und Mechin berührte das Kind mit dem Sensor. Neununddreißigkommazwei: Dafür sah es bemerkenswert gut aus. Sein Atem fiel dem Arzt auf. Rasch, flach, irgendwie unterdrückt. Angespannt, wenn sich der Doktor bewegte, lockerer, wenn er still hielt. Der Puls war beschleunigt. Alles in allem: Das Kind sah auf den ersten Blick gesund aus, war es aber nicht.
    »Hat es der Kleine im Hals?«
    Das Ehepaar Carlos wechselte keinen einzigen Blick, sondern versicherte einmütig und ein wenig zu laut und zu überzeugt, der Hals sei es bestimmt nicht, Will könne sagen, wo es weh tue, und im Hals, sage er, sei es nicht. Irgendwo anders eben. Der Junge wusste, wovon die Rede war. Er blickte den Doktor an und sah entschlossen aus. »So, mein Junge«, sagte Mechin zu Will und schimpfte sich selbst in Gedanken aus, dass er so unvorsichtig gewesen war, ihn »mein Junge« zu nennen, »du bist also Will. Mich kennst du, oder?« Will gab keinerlei Zeichen, dass er ihn kannte.
    »Ich bin Mechin, der Arzt. Ich bin dazu da, alle gesund zu machen. Dich auch. Denn so richtig gut geht es dir nicht, oder?« Will hob sein Gesicht und musterte den Doktor. Er sagte kein Wort. Ratlos starrte Mechin den Kleinen an. Dieses Kind hatte mehr als die Hälfte seines Lebens auf Vilm zugebracht. Es kannte keinen zivilisierten Planeten und hatte von der Erde noch weniger gehört als jeder andere, es kannte keine richtige Behausung, es kannte kein Kino und keine Vergnügungsmaschinen, wie Achterbahnen, Kinderautodrome und Schwebeplätze, die es in jeder Stadt auf jedem bewohnten Planeten gab. Dieses Kind wusste nichts davon, wie spannend eine Fahrt mit der cartagenischen Achterbahn im großen Park

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