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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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ausgerechnet von Marek. »Das ist doch alles vorbei«, sagte sie matt, »die Zentrale existiert nicht mehr; ich habe zwar noch den Kontakter in der Hand, aber darf ihn nicht benutzen. Ich habe das große Universum eingetauscht gegen ein kleineres, gegen Vilm. Wie ihr alle auch.«
    »Den Weg zurück in die Zentrale hast du dir freigehalten.« Marek sah sie an, zweifelnd. So sieht ein Kind seine Spielzeugstadt an, ob sie endgültig zerbrochen ist oder ob man sie richten kann.
    Eliza zog den Handschuh von der Linken und starrte das silbrige Muster in ihrer Handfläche an. Marek hatte sich seiner Bastelei zugewandt und schwieg. Der Kontakt mit einem intakten Netz war erholsam wie ein Laken aus kühler Seide und suchtbildend wie ein leichter Rausch, weil ausgeklügelte Software dafür sorgte, dass jedes Bewusstsein in seiner eigenen Schutzglocke durch die elektronische Welt schwebte. Ein IN-Rechner ohne ein für Menschen, na gut, ohne ein für Zentralier zurechtgeschneidertes Interface wäre im Vergleich dazu ein Bad in siedendem Blei. Statt alle Informationen sorgsam gefiltert serviert zu bekommen, würden sich Datenbündel wie Lanzen in den Verstand des Wahnsinnigen bohren, der sich da hineinwagte. Eliza erinnerte sich an die stupide elektronische Verzweiflung des Rechners, mit dem sie in jenem Unglückssegment Kontakt aufgenommen hatte. Das war grob und schwer zu ertragen gewesen – und der blöde Kasten hatte seine Interfaces noch besessen. Eliza ging auf und ab, sah zu den stiebenden Funken hinüber, die von den Schweißaggregaten drüben herabsprühten. Wenn dort unten in der Ebene jemand wäre, dachte sie, irgendjemand, auf den diese Platte herabzustürzen droht, sagen wir, ein spielendes Kind, der kleine Tom etwa, oder auch Tina, ganz egal, ich würde einen Grund haben, einen guten Grund, ich könnte sofort die rote Linie ausprobieren, und die Folgen könnten mir – so oder so – völlig gleich sein. Ich hätte einen guten Grund, diesem Ungeheuer entgegenzutreten. Aber da unten sind keine Leute. Das monströse Ding wird niemandem auf den Kopf fallen. Da ist keine Menschenseele zu retten. Da ist kein Grund. Keiner außer mir. Keine Vorwände. »Ich habe mir keinen Rückweg freigehalten«, sagte Eliza lahm. »Wohin denn überhaupt?«
    »Wenn du ehrlich bist, denkst du doch nach wie vor an die von draußen, wenn du von uns sprichst, die wir keine Zentralier sind, oder?«
    »Das sind so Gewohnheiten, Marek, verstehst du das nicht? Nur Gewohnheiten.«
    »Gewohnheiten ... Verstehst du die Gewohnheiten der Leute aus diesem Draußen? Sie haben sich nicht geändert, sage ich dir.«
    »Und du?«
    »Ich ...« Marek stand auf; Eliza ertappte sich dabei, dass sie in einem entfernten Winkel ihrer Gedanken erfreut feststellte, wie überaus elegant er das machte, und schämte sich dafür.
    »Eliza, du bist die Letzte außer mir, die ihn lebend gesehen hat, und das ändert – irgendwie – alles. Verstehst du mich?«
    Langsam begriff sie, was er meinte. Es war ihm schwergefallen, den anderen überhaupt zu erwähnen; und Eliza erinnerte sich daran, dass sie niemandem seit dem Absturz auch nur ein einziges Wort über Lafayette gesagt hatte. Sie hatte nicht einmal den Namen laut ausgesprochen.
    »Und ich möchte darüber nicht weiter reden«, sagte Marek mühsam. Einen Augenblick lang war er still, ehe er sich wieder an die Arbeit machte. Eliza beobachtete ihn dabei, und es war kein Gedanke in ihr, nichts, völlig leer. Schließlich schritt sie an die rote Linie heran und presste die Handfläche darauf, ohne nachzudenken, wie sie es so oft getan hatte, als ihre Welt noch nicht zerbrochen war. Sie gab keinen Laut von sich. Dennoch schrie sie das Wort mit aller Kraft heraus, wie einen Notfall-Befehl, den alle im Netz hören sollten und der das Netz selbst zur Vernunft bringen sollte. Da war jedoch kein Netz, und wenn doch, dann war es ein grauenhaft leeres.
    »Aufhören!«
    Für den Bruchteil einer Sekunde spürte Eliza das Schiffshirn, oder das, was daraus geworden war. Eine klirrend kalte Intelligenz war das, gebildet aus einem abartigen Netz von Rechnern. Elizas Bewusstsein fühlte einen gigantischen Kristall, dessen mit blitzenden Klingen besetzte Kanten knirschend kalte Funken fallen ließen und sich in jeden Gedanken schnitten, den Eliza denken wollte. Der Kristall war glänzend, hell, mit so scharfen Umgrenzungen, dass sein Anblick wehtat. Eliza hätte gern die Augen geschlossen, aber im Netz besaß sie keine Augen, obwohl

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