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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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tropften in seine Hände hinunter. Sie perlten an der Haut über den Kontakten ab, ohne sie berühren zu können.

3. Büro-in-den-Wolken • 1
    Der Nuntius hatte sehr gepflegte Hände und einen sehr kleinen Kopf. Beides beeindruckte Will sehr, schien doch das Haupt des päpstlichen Würdenträgers im Grunde genommen nur aus dem Gesicht zu bestehen. Während der Nuntius von der geplanten Forschungsreise ins Innere des Wolkengebirges sprach, wanderten Wills Augen immer wieder zwischen den unglaublich glatten, gebräunten Händen und dem winzigen Schädel hin und her.
    Als der Botschafter verstummt war und mit seinen perfekten Fingern nach dem Tässchen Äthyltee griff, räusperte sich Will und schüttelte entschlossen beide Köpfe.
    »Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass Sie oder irgendeiner Ihrer Leute irgendwelche Expeditionen im Riesengestrolch unternehmen, Monsignore«, erklärte er. »Oder sogar auf die Südseite. Das gestatten wir niemandem.«
    Der Nuntius nahm einen Schluck von seinem Getränk, das seinen würzigen, zitronigen Geschmack und seine anregende Wirkung der Beimischung einiger einheimischer Pflanzenextrakte verdankte, und stellte das Tässchen ab, als wäre es gewichtslos. Zwar hatte er darauf hingewiesen, dass die korrekte Anrede für eine Person seines Amtes »Eure Hochwürdigste Exzellenz« lautete, aber der Administrator des Regenplaneten schien diese Information für minder wichtig zu halten.
    »Wir denken selbstverständlich darüber nach ...«, begann der Nuntius, aber Will sprang auf seine breiten Pfoten, sträubte das Fell und unterbrach ihn.
    »Auch wenn Sie uns irgendwelche Bezahlungen dafür in Aussicht stellen wollen, die Antwort lautet nein. Erst vor kurzem haben wir geglaubt, jemand von uns sei dort unten ums Leben gekommen. Und wir sind immer noch nicht sicher, ob es nicht doch geschehen ist.«
    Die Hände des Nuntius’ vollführten eine Geste der Ratlosigkeit. Er sagte nichts und verfolgte aufmerksam, wie der Administrator abschweifte.
    »Wir wissen zu wenig. Wir haben geglaubt, ohne Torons Heilmittel wäre es nicht möglich. Aber sie ist ja da, sie spricht manchmal und ...«
    Will brach ab und starrte den Nuntius an. Was gingen den die Sorgen an, die man sich um Jojo machte?
    »Wir würden natürlich alles vermeiden, was in irgendeiner Form jemanden von Ihren Leuten in Gefahr bringen könnte«, sagte der päpstliche Gesandte.
    »Das können Sie gar nicht versprechen«, antwortete Will. Er griff nach seiner Kaffeetasse und nippte daran.
    Der Nuntius schwieg. Seine Ohren entsprangen seinem Schädel, als wäre es nur die rote Kappe, die sie miteinander verband. Was wohl zum Vorschein käme, wenn man ihm dieses purpurne Mützchen wegnahm?
    »Es gibt noch mehr Orte auf Vilm«, sagte Will langsam, »an denen Menschen wohnen, nicht nur Vilm Village, Gerdastadt, das Alte und das Dritte Dorf. Es gibt Orte, zu denen auch die hartnäckigsten Vilm-Touristen nie gelangen. Da sind sehr viele Stellen, an denen Leute wie Sie nicht einmal suchen würden, Herr Kommerzienrat.«
    Sein felliger Kopf nickte zu der Landschaft hinter den Glasscheiben hinüber, an denen unablässig feine Regentropfen herabrannen.
    »Es gibt die Stromsiedler, die sich in den Untergrund zurückgezogen haben und da wohnen, wo die verborgenen Flüsse sich ihren Weg suchen. Von denen hören wir nur sehr selten etwas. Es gibt die Weitergereichten Wohnstätten, deren Bewohner die meiste Zeit über selbst nicht wissen, wo genau sie gerade sind. Und vermutlich sind nicht einmal mir alle Orte bekannt, wo sich Leute inzwischen niedergelassen haben.«
    Der Blick des Nuntius war Wills Worten gefolgt: Erst nach unten, dann nach Süden, schließlich nach oben, ins graue Gebrodel eines gewöhnlichen Vilmhimmels hinein.
    Man hatte eine weite Aussicht durch das riesige Panoramafenster, wenn das Wetter es zuließ. Unten lagen die Straßen und Plätze von Vilm Village, an deren Anordnung früher allen Besuchern die Ursprünge der Stadt erklärt worden waren. Das ehemalige Restaurant Fast-in-den-Wolken, das annähernd dreihundert Meter hoch über der Oberfläche an den Spitzen dreier schlanker Stahlmasten hing, war früher einmal das mit Abstand höchste Gebäude des gesamten Planeten gewesen, ehe man es dem widerwilligen Administrator als Büro-in-den-Wolken angedient hatte.
    »Das alles klingt anarchistisch«, bemerkte der Nuntius kühl und legte die aufwendig manikürten Hände auf seine schmale, von teurem Tuch umhüllte Brust, als

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