Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Und ein Nuntius schon gar nicht.
Der zierliche Leib des päpstlichen Abgesandten sank enttäuscht zurück, als das Gespräch ins Unhörbare abtauchte. Die wachen Augen in dem kleinen Kopf beobachteten den Administrator.
Will hörte konzentriert zu. Sein pelziger Körper begann, unruhig durch den Raum zu kreisen. Die Krallen klickten und scharrten derart, dass der Nuntius eine Gänsehaut über seinen Rücken fahren spürte.
»Wir müssen das Gespräch beenden«, sagte Will schließlich zum päpstlichen Abgesandten und zupfte die Stöpsel aus den Ohren. Dann wuchtete er seinen Leib aus dem Sessel empor. »Wir hatten da einen neuerlichen Zwischenfall der rätselhaften Art.«
Er zögerte und warf dann dem Nuntius einen Blick zu, unter dem die Hochwürdigste Exzellenz zu schmelzen schien.
»Wenn Sie unbedingt zum Gestrolch wollen, weil Sie mit ihm reden möchten, dann sollten Sie sich bessere Argumente überlegen, Meister.«
Will hielt inne und tat so, als müsse er über seine nächsten Worte erst gründlich nachdenken.
»Es sieht nämlich so aus, als spräche es tatsächlich manchmal mit jemandem.«
Eine Pfote hieb eine Taste nieder, und breite Türen glitten auseinander, die früher den Gästen des Restaurants den Zutritt zu exklusiven Separées gewährt hatten. Dort standen, in den stahlgrauen Habit ihres Ordens gehüllt, Fra Nathanael und Fra Bartholomäus. Die beiden tauchten immer an der Seite des Nuntius auf, wenn er die Apostolische Nuntiatur verließ. Will wusste, dass der Orden der Leibowitzianer sich vor allem damit befasste, technische Einrichtungen und wissenschaftliche Neuheiten für die Kurie nutzbar zu machen. Auch wenn und vor allem, weil diese den anerkannten Lehren ein wenig widersprachen. Dieser Orden hatte den päpstlichen Dispens , die Dogmen beiseite zu stellen, wenn es erfolgversprechend schien. Es sollte Ingenieure und Piloten, ja sogar Zentralier in ihren Reihen geben.
Der Nuntius ließ die letzten Tropfen des vilmschen Äthyltees in seinen Mund tropfen, stellte sein Tässchen ab und erhob sich.
»Übrigens, Mister«, sagte Will, sich plötzlich an Eliza erinnernd, »haben Sie mir ein bestimmtes Mitbringsel zu übergeben? Ein kleines Päckchen?«
»Oh, ja. Das haben wir.«
Die Hochwürdigste Exzellenz hatte offenbar auf diese Frage gewartet und ließ die Hand in einer Falte des Seidenbrokats verschwinden. Von dort förderte sie ein Schächtelchen zutage, das so klein war, dass man bestenfalls ein Paar Eheringe darin vermuten konnte. Elegant platzierte der Nuntius das in echtes Papier gewickelte Mitbringsel so auf Wills Schreibtisch, dass die aus wenigen handgeschriebenen Worten bestehende Adresse nach oben zeigte.
»Dessen ungeachtet«, sagte der päpstliche Botschafter und wandte sich zum Gehen, »werden wir dieses Gespräch irgendwann zu Ende führen müssen. Omnia tempus habent .«
Will sah zu, wie der Nuntius, die Hände auf dem Rücken gefaltet, wortlos davonschritt, von den beiden Leibowitzianern begleitet.
Erst die Luciferanten, jetzt die Päpste. Ah ja, die Goldenen und die Dunkelwelten nicht zu vergessen. Was wollten die alle nur von dem Dickicht?
Als wenige Augenblicke später der erwartete Anruf von Eliza kam, war niemand mehr im Büro-in-den-Wolken, der ihn annehmen konnte.
4. Obst für Eingereiste
»Nun halt doch still«, sagte Cummino und strich sich die weiße Locke zurecht, die aus der Fülle seiner dunklen Haare spross.
Er verdrehte die Augen. Sein Kumpel Vincent konnte sich partout nicht an den Gedanken gewöhnen, dass ihr Datenprojektor zwar wasser- und wetterfest war, aber etwas so Altmodisches wie eine ebene Fläche benötigte, um seine Bilder irgendwohin zu projizieren. Und Vincent war ein solcher Schwächling, dass ihm schon wenige Minuten, nachdem er den Mini-Paravent aufgespannt hatte, die Hände zu zittern begannen. Dabei sollte er das Ding nur mit ausgestreckten Armen in einer ganz bestimmten Position halten. Und es genau dort lassen.
»Mach hin«, sagte Vincent und packte den Rahmen fester.
Sie konnten die hauchdünne, in einen stabilen Klappmechanismus eingezogene Projektionshaut unmöglich irgendwo hinlegen oder anlehnen. Den ersten Paravent hatten sie eingebüßt, als ein widerliches, handgroßes Tier aus dem aufgeweichten Boden hervorgekrochen war und die Folie gefressen hatte. Vincent wusste wegen seiner Lektüre, mit der er sich vorbereitet hatte, dass es sich um ein sogenanntes Wurbl handelte. Das hässliche Wesen hatte zwar die zerkaute
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