Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
legen.
»Wovon ist die Rede?«, wollte der Nuntius wissen, aber Will beachtete ihn nicht.
»Dann kommt’s auf ein paar Minuten auch nicht mehr an«, sagte er und unterbrach die Verbindung. Er gab der alten Lehrerin fünf Minuten, ehe sie wieder anrufen würde. Höchstens. Und sie würde ihn zurechtweisen, weil er sie so schroff abgewürgt hatte. Und er würde sich unweigerlich schuldig fühlen. Es gab Dinge, die sich niemals änderten.
Er warf einen Blick durch das Panoramafenster: Ja, es regnete jetzt stärker.
In das Geräusch der an die Glasscheiben klopfenden Regentropfen hinein sagte der Nuntius: »Wir sind überrascht zu hören, dass die Luciferanten hier, auf Vilm, vorstellig geworden sind. Wir wären interessiert daran zu erfahren, was sie hier wollen.«
Will hatte Mühe, seine Gedanken von den klaren Forderungen Elizas zu den verschwurbelten Formulierungen des päpstlichen Botschafters umzuschalten. Wieso wir?, dachte er. Also, sie. Wieso redet der Nuntius andauernd von sich selbst in der Mehrzahl? Weil die Päpste zahlreich sind? Aber er selbst ist doch keiner?
Er biss sich selbst ins Bein, ganz sanft nur, um wieder zur Vernunft zu kommen. Es hatte Vorteile, wenn man ein auf zwei Körper verteiltes Wesen war.
Dann fiel ihm ein, dass besonders bedeutende, hochgestellte Menschen früher oft das Privileg besaßen, im Pluralis Majestatis zu sprechen, weil ihre Worte auch im Namen all jener ausgesprochen wurden, die von ihnen vertreten wurden. Und er hatte sich damals gefragt, warum die Einarmige Eliza ihnen so einen Unfug beibrachte.
Will fixierte den Nuntius mit all seinen Augen.
»Die Anliegen der Luciferanten decken sich auf eine erstaunliche Weise mit denen des Päpstinnenkollektivs.«
Zwei manikürte Hände umfassten den Unterarm der jeweils anderen Hand.
»Sie wollen ebenso gerne Forschungen am äquatorialen Gestrolch durchführen wie Sie, Maestro. Auch eine Expedition auf die südliche Seite des Planeten interessiert sie brennend. Sie legen großen Nachdruck in ihre Anfragen und Memoranden. Sie haben uns angeboten, diese kleine Raumstation des Flottenkommandos, die mit ihrer Ein-Mann-Besatzung um Vilm kreist und nicht mal einen richtigen Namen hat, durch eine viel größere zu ersetzen. Eine, die nur Vilm gehören würde.«
Der Nuntius holte Luft und wollte den Administrator unterbrechen, aber er bemerkte rechtzeitig, dass Will-J den Schädel energisch verneinend bewegte.
»Sie deuten Vergünstigungen an und Belohnungen«, sprach Will weiter. »Manche davon sind reichlich exotischer Natur. Die Luciferanten gehen dabei ein wenig subtiler vor als die Goldene Bruderschaft, die einfach nur die Gebote erhöht, wenn sie etwas von mir möchte ... und mir immer noch keinen vernünftigen Grund dafür nennen konnte, warum einer ihrer angeblich gestohlenen Prototypen ausgerechnet hier aufgetaucht ist.«
Des Nuntius Hände flatterten einen Moment lang aufgeregt, ehe sich seine Finger in einem festen Knoten umeinander schlossen, ruhiggestellt wurden.
»Dürfen wir uns erkundigen ... Hat man diese ominöse Wespe der Bruderschaft eigentlich wieder zurückgegeben?«
Die Stimme des päpstlichen Gesandten zeigte erstmals Unsicherheit.
Oha, dachte Will. Da war jemand aber plötzlich überreizt. Er trank langsam seinen inzwischen zu kalten und viel zu süßen Kaffee aus.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte er. Das Fahrzeug stand in einem schäbigen, rostigen Container, der zwischen zahllosen völlig gleich aussehenden schäbigen, rostigen Containern versteckt war. Wer die Seriennummer nicht kannte, hatte keine Chance, die Wespe zu finden. Und sie befand sich in einem eher suboptimalen Zustand dort. Dafür hatte er selbst gesorgt.
Ein Signalton ertönte.
Ha! Eliza! Er nahm das Gespräch an, dankbar, weil seine alte Lehrerin ihn in genau dem richtigen Augenblick unterbrach.
Die Stimme, die erklang, war aber eine ganz andere.
»Du solltest herkommen«, sagte eine Männerstimme. Im Hintergrund waren aufgeregt durcheinander schnatternde Stimmen zu hören. »Du solltest unbedingt herkommen. Jemandem ist es gelungen, so was wie einen Kontakt herzustellen.«
Die Stimme verfiel in einen dramatischen Flüsterton.
»Und was du uns gar nicht glauben wirst, in der Umlaufbahn ist etwas aufgetaucht, das sich meldet als Vilm van der ...«
Will hatte bereits Audiostöpsel in die Ohren gesteckt, seine Hand schnellte vor und betätigte eine Stummtaste. Es gab Dinge, die niemand hören sollte, der kein Vilmer war.
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