Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
wolle er sich für seine Worte entschuldigen. »Das klingt nach Chaos und Willkür. Das klingt ... nun ja. Als ob Ihre Regierung gar nicht das Sagen hätte auf Vilm.«
»Ja«, antwortete Will grinsend, »nicht wahr?«
Er tat einen weiteren Löffel Zucker in seinen Kaffee und rührte um.
Der Nuntius starrte ihn an, als erblicke er ihn das erste Mal, fassungslos, ehe er seine Hände wieder in den Schoß legte und Will-J fixierte. Auf dessen Fellgesicht stand derselbe amüsierte Ausdruck.
»Verstehe«, sagte der Mann von Vatikan leise. »Es geht der Vilmregierung also gar nicht um die Herrschaft über diesen Planeten.«
Will-J schlug die Pfoten über dem Kopf zusammen und bettete die Schnauze zwischen die Füße von Will-A.
Herrschaft!
In was für Kategorien dachte dieser Mann?
Der Nuntius hob seine Hände leicht an, die Innenseiten nach oben gekehrt. »Dies ist eine Einstellung«, sagte er sehr leise, »die wir eher von Welten erwarten, deren Bewohner den Luciferanten anheimgefallen sind.«
»Die sind auch hier, Dottore«, teilte Will mit, als sei diese Information vollkommen nebensächlich. »Ich rede hin und wieder mit einem von ihnen. Wenn ich ihm nicht mehr aus dem Weg gehen kann.«
Nun veränderte sich die Gesichtsfarbe des Nuntius unvorteilhaft. Seine Finger schlossen sich zu kleinen Fäusten.
»Seit wann?«, fragte er.
Will-J heftete den dunklen Blick seiner fellumwölkten Augen auf den Abgesandten der Päpste. Dieser bemerkte den forschenden Gesichtsausdruck des Sechsbeiners und legte sofort seine Hände wieder in den Schoss. Unglaublich, dachte Will, was für eine einstudierte Gestensprache. Während diese zarte Gestalt hier sitzt, in ihr Gewand aus unechtem Seidenbrokat gehüllt, vollführt sie lauter eingeübte Handbewegungen und rührt ansonsten keinen einzigen Muskel.
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen oder der Apostolischen Nuntiatur mitteilen muss, wann hier wer warum ankommt«, sagte Will ruhig und drehte seinen Sessel so, dass er scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster sehen konnte.
Es nieselte draußen nun nur noch hellgrau, und der Blick öffnete sich weit in die Landschaft. Wo früher das Gebirge sich erhoben hatte, standen zwischen den Gebäuden der Stadt nur noch hier und da einzelne Großteile des niedergegangenen Raumfahrzeugs. Darunter auch die Klippe aus massiver Panzerung, die wie eine zehn Stockwerke lange Scherbe im Boden steckte und dort auch für immer bleiben sollte. Früher war sie zwischen all den anderen Resten der Oosterbrijk nicht weiter aufgefallen. Seit ringsherum aufgeräumt und eine kleine Stadt entstanden war, wirkte sie wie ein monumentales Denkmal.
»Nun«, sagte der Nuntius mit seiner sanften Stimme, »in früheren Zeiten und auf anderen Welten war es durchaus üblich, dass der Botschafter des Papstes automatisch als Ältester galt, als Doyen, und entsprechend informiert wurde.« Ganz sachlich, nicht die Spur eines Vorwurfs.
Will wandte den Blick nicht ab von der Klippe, obwohl sie langsam im wieder dichter werdenden Tröpfeln verschwand. Ob das, was ihre Spitze umflatterte, tatsächlich Wolkentaucher waren, konnte man so unmöglich entscheiden.
»Andere Welten, frühere Zeiten, soso. Das mag sein, aber wir sind hier auf Vilm, Verehrtester.«
Ein Signalton ertönte. »Ja?«
Will wusste, dass es der Nuntius als unhöflich ansähe, wenn der Administrator während einer Unterredung mit ihm ein anderes Gespräch annähme, auf einer seiner Leitungen nach draußen. Genau deswegen tat er es.
»Ich bin’s«, sagte eine vollkommen unverwechselbare weibliche Stimme. Will hatte sie sein ganzes Leben hindurch gehört und wusste, dass die Sprecherin zwar nur einen Arm hatte, aber dennoch überall ihre Finger drin.
»Eliza!«, sagte er freundlich. »Was kann ich für dich tun? Wie geht es Adrian?«
Sie kam, wie üblich, ohne Umschweife zum Punkt.
»Dem alten Harenbergh geht’s gut, danke der Nachfrage. Hat dein Gast mir was mitgebracht?«
»Oh.«
Will-J spreizte hilflos die leeren Mittelpfoten, als versuchte er eine Parodie auf die abgezirkelten Gesten des Gastes von Vatikan.
»Ich meine, nein. Ich meine, wir sind noch nicht an diesem Punkt des ... ähm ... Austauschs von Freundlichkeiten angekommen.«
Nach all den Jahren hatte die alte Lehrerin ihn immer noch innerhalb von Sekunden soweit, dass ihm der Schweiß ausbrach.
»Du weißt genau, wie lange ich schon warte!«, beharrte Eliza. Wenn sie wollte, konnte sie nach wie vor eine Menge Metall in ihre Stimme
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