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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Folie – in schaumige Klumpen gehüllt – sofort wieder ausgespien und war dann unter Zuckungen verendet, aber natürlich konnten sie den Paravent nicht mehr gebrauchen. Der zweite war verlorengegangen, als ein ganzes Rudel zweiköpfiger, sechsbeiniger, schlanker Tiere wie besessen durch die Gegend gehüpft war. Leider hatten sie den Paravent völlig ignoriert und mit ihren harten Pfoten einige Dutzend daumennagelgroßer Löcher hineingestanzt. Vincent war entzückt gewesen, eine ganze Schule von Rehschweinen während der paarungszeitbedingten Wanderung zu sehen, und hatte mit der in seinem Fingerring eingelassenen Kamera begeistert Bilder davon gemacht. Cummino hatte ihn gehasst dafür.
    Deswegen musste Vincent die Folie – die letzte, die sie noch besaßen – jetzt immer an seinen weit ausgestreckten Armen in die Luft halten, während der Projektor sein Licht darauf warf und Cummino in der Datenbank des verrückten Lukaschik nach der richtigen Abbildung suchte.
    Er ließ sich Zeit und Vincent gern ein bisschen wimmern.
    Cumminos Blick wanderte immer wieder hin und her zwischen den Früchten, die sie da im Geäst entdeckt hatten, und den Informationen aus der Datenbank. Die Vielfalt der Gewächse in diesem wahrhaft gigantischen Labyrinth war erstaunlich. Daran, dass unaufhörlich Wasser herabsickerte und -tröpfelte, konnte man sich eher gewöhnen als an dieses pflanzlich-tierische Tohuwabohu. Wo Leandro Cummino herkam, gab es nur etwa zwei Dutzend genetisch optimierter Standardpflanzen, die an das Leben auf einer Raumstation bestens angepasst waren und niemandes Geschäfte störten.
    Abgesehen natürlich von den offiziell gar nicht existierenden Pflanzenarten, aus denen manche Mitglieder der weitverzweigten Cummino-Familie illegale Produkte zum Schnupfen, Einatmen, Rauchen und Unter-die-Haut-Spritzen herstellten.
    Vincent schloss die Augen und biss sich theatralisch auf die Lippen. Seine Hände begannen zu zittern.
    Gleich wird er wieder zu jammern anfangen, das Weichei, dachte Cummino und gab die Suche in der Datenbank auf.
    »Pflück es einfach«, sagte er, »und lege es als Nummer achtundzwanzig ab. Wir können später herausbekommen, welchen Namen ihm die Hiesigen gegeben haben.«
    Erleichtert klappte Vincent den Paravent zusammen – wie man sich dabei keine Fingerkuppe einklemmte, hatte er bereits nach sieben blauen Fingerkuppen herausgefunden –, und holte vorsichtig das Ding Nummer achtundzwanzig aus dem Gesträuch. Er wollte diese Objekte ihrer Sammelleidenschaft nicht einmal in Gedanken als Früchte bezeichnen, weil dieser Name die Idee nahelegte, man könnte hineinbeißen. Er mochte die Tiere, die es auf Vilm gab, aber die pflanzlichen Hervorbringungen waren ihm allesamt unheimlich, seitdem er darüber gelesen hatte, was manche von ihnen bewirken konnten.
    Leandro drehte ihm den Rücken zu, während er in den hellgrauen Regen schaute. Vincent legte das Ding vorsichtig in eine der Aufbewahrungsmulden, die in Cumminos Rucksack eingelassen waren.
    »Bleiben noch zweiundzwanzig leere übrig«, sagte er. »Bis jetzt haben wir noch keines der bekannten und eingeordneten Rätseldingsda gefunden. Nur achtundzwanzig unbekannte.«
    »Können wir weiter?«, knurrte Cummino.
    Vincent sagte etwas, das seinem Kompagnon und So-gut-wie-Chef gar nicht gefiel.
    »Das ist eine Scheiß-Quote, ehrlich.«
    Cummino machte, dass er weiterkam, und setzte seine Füße auf borkige Äste, mannsdicke grünleuchtende Triebe und diese ausgedehnten Flächen federnden Holzes, die manchmal mehrere Schritte eines ganz normalen Gehens möglich machten. Auf denen hatte Vincent immer wieder Anwandlungen, sich verschnaufen zu wollen.
    Oder zu reden.
    »Sag mal, glaubst du wirklich, dass dieser Typ noch ganz bei Trost gewesen ist?«
    »Welcher Typ?«
    »Tu nicht so. Du weißt genau, wen ich meine. Diesen Lukaschik. Der uns von seiner, äh, Erschaffung erzählt hat.«
    »Ach, der.«
    Cummino war in etwas angelangt, das wie eine geräumige Baumkrone aussah. Nur dass darunter kein Baum war, sondern ein sich kilometerweit erstreckendes Dickicht, durch das unaufhörlich Regenwasser lief. Mächtige Äste führten in alle Richtungen von der Baumkrone weg. Es war mehr ein Knoten als eine Krone.
    Vincent stolperte hinterdrein, froh über den näherungsweise festen Boden unter den Füßen.
    »Ich meine, das war doch völlig abgedrehtes Zeug. Dass er früher eine andere Persönlichkeit hatte, Lukas hieß und bei einem aus dem Ruder gelaufenen

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