Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
Vom Netzwerk:
Bein vor sich, das beim Aufprall des Gleiters von dem Körper abgerissen worden war, zu dem es gehörte. Irgendein Tier hatte die Rettung des Stationskommandanten mit dem Leben bezahlt.
    Beziehungsweise mehrere Tiere.
    Als Len um sich blickte, sah er überall in dem zerstörten Gestrolch rotgelbe Körperteile, vor allem Beine und Tatzen, viel zu viele davon. Aber er sah auch Reste von etwas, das vielleicht einmal zu einem Rumpf gehört hatte, und ein Ding, das wohl von einem langgestreckten Kopf stammte. Und da wieder, und dort ... überall. Der Gleiter hatte hier ein Massaker angerichtet.
    »Tut mir leid, Jungs«, sagte er. »Ich hab wirklich nicht auf euch gezielt.«
    Er wusste genau, dass man seinem Schuljungengesicht solche Beteuerungen unbesehen abnahm, und war schon oft damit durchgekommen. Seine Kameraden auf der Akademie hatten ihn Bubi-Robinson genannt, und es war nicht nur Herablassung gewesen, sondern auch widerwillige Hochachtung vor der Frechheit, sich mit nichts als einem niedlichen Augenaufschlag aus den kitzligsten Situationen herauszuwinden. Na gut, seine in vielen Stunden Training erworbenen Körperkräfte halfen ihm auch dabei, dem Spitznamen etwas mehr Tiefgang zu verleihen, wenn jemand zu hartnäckig spöttelte.
    Als Len sich von dem Schlachtfeld abwandte, um weiterzugehen, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Schlich hier noch jemand anderes herum? Fast bedauerte er, keine Waffe mitgenommen zu haben.
    Der nächste Aufschlag des Gleiters musste in dieser Richtung ...
    Len Robinson erstarrte.
    Alle seine Muskeln spannten sich an, und er ging in eine leicht geduckte Abwehrhaltung. Dieses Tier hatte er noch nie gesehen und, soweit er wusste, auch sonst noch niemand. Es hatte, wie alle Tiere auf Vilm, zwei Köpfe an den beiden Enden seines Leibes. Und wie die meisten größeren Tiere hatte es sechs Beine. Damit war’s auch schon getan mit dem Normalen. Dieses Wesen hier war ein schlankes Monstrum. Sein dunkelrotgelb gemusterter Rücken erreichte die Höhe von Robinsons Brustkorb. Von Kopf zu Kopf mochte es stattliche fünf Meter messen. Sein wolliges Fell konnte nicht verbergen, dass es ein durchtrainierter Jäger war. Das Erschreckendste aber waren die Köpfe – langgestreckt, mit einer immens bedrohlichen Schnauze und großen dunklen Augen. Als hätte jemand das possierliche Gesicht einer Schildpattkatze gewaltsam über den Schädel eines Krokodils gestülpt. Die Tropfen des Regens drangen nicht in sein Fell ein, sondern perlten darüber hinweg.
    Natürlich hatte Len keinerlei Chance, sich ungesehen davonzuschleichen. Wie sollte das gehen bei einem Wesen, das mit vier Augen nach vorn und hinten blickte? Dieser ungeheuerliche Katzenkaiman sah den Fremden unverwandt an und schüttelte sich kurz. Dabei fielen links und rechts aus seinem Flanken jene kleinen steinharten Klumpen herab, die den einzigen Rest der bei Vilmtieren sehr effektiven Verdauung darstellten. Sofort tauchten kleine Wurbls aus der Erde auf und kämpften um die begehrten Beutestücke.
    Robinson musterte das Fell des Ungeheuers. Die Farben waren etwas dunkler, aber sonst stimmte alles mit den zerfetzten Überresten im Gestrolch überein. Auch die übertriebene Zahl von Beinen und Tatzen fand nun eine Erklärung. Offenbar hatte der Gleiter ein Nest dieser Tiere erwischt und gleich eine ganze Brut – Gelege? Wurf? – zerlegt.
    Hoffentlich kann das Vieh keinen Zusammenhang herstellen zwischen mir und dem Tod seiner Nachkommen, dachte er, sonst bin ich geliefert. Wenn es Hunger hat, auch. Oder schlechte Laune. Oder wenn es keine Milchgesichter mag.
    Das Tier senkte einen seiner Köpfe – der andere starrte den Menschen an – und sog intensiv die Luft ein, witterte.
    Len tat langsam einen Schritt zurück. Vielleicht war das Wesen genauso verwirrt von dieser Begegnung wie er selbst. Vielleicht wollte es auch nur, dass das Fremde wieder dorthin verschwand, woher es gekommen war.
    »Den Gefallen tu ich dir gerne«, murmelte Len.
    Als wäre er vor dem Klang einer menschlichen Stimme erschrocken, verschwand der Katzenkaiman blitzartig zwischen den Gestrolchen; hätte Robinson im falschen Sekundenbruchteil gezwinkert, wäre ihm die Flucht des Tieres wie Zauberei erschienen.
    Bloß zurück zum Gleiter, dachte er, diese Viecher sind ja schneller als die Kreaturen der Hölle.
    Aber er kam keine zehn Schritte weit.
    Das zerstörte Nest mit den Überresten der Jungtiere war immer noch in Sichtweite, als Len sich plötzlich Auge in

Weitere Kostenlose Bücher