Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
Vom Netzwerk:
an manchen Stellen so hell war, dass die grünen Bewohner der Sämlingslinsen gediehen und in großen Zahlen herumwimmelten. Unter der kaum ahnbaren Decke des Hohlraums flatterten Wolkentaucher in kleinen Schwärmen herum, als wäre das völlig selbstverständlich. Man sah sonst nie mehr als einen oder zwei davon.
    Than, Vincent und Lukaschik sollten nichts weiter tun, als nachzusehen, was am anderen Ende dieser überraschend großen Linse lag und ob es zwischen dieser und den seltsamen Dingen, die in letzter Zeit vorgingen, einen Zusammenhang gab.
    Die Aufgabe war für ungefährlich erklärt worden, und Vincent war völlig klar, dass er niemals hätte mitkommen dürfen, wenn es das nicht gewesen wäre.
    Der ewige Niederschlag fand seinen Weg auch hierher, wehte in Schwaden sprühender Feuchtigkeit heran oder stürzte als Mini-Wasserfall aus verborgenen Quellen herab, die vom Regen draußen gespeist wurden. Vincent spürte einen schwachen, bohrenden Schmerz, wenn er daran dachte, dass er die vielen verschiedenen Namen des Regens niemals lernen würde. Für ihn sah das alles nur wie herabfallendes Wasser aus.
    So was gab es auf Atibon Legba nicht. Nur als Simulation in Bereichen, die Vincent und seinesgleichen nur nachts und mit Nachschlüsseln zu betreten wagten.
    »Das ist schön hier«, sagte Vincent.
    Than warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Vielleicht«, sagte er.
    Erst jetzt fiel Vincent auf, dass seine vilmschen Freunde angespannt wirkten, unwohl, als erwarteten sie jeden Moment einen Angriff.
    »Sag mal, was ist los?«
    Than stapfte weiter. »Was soll los sein?«
    Vincent blickte zu Thans Schnauze, die gerade wieder misstrauisch in seltsam aussehendem Gesträuch am Rande der Sämlingslinse herumschnüffelte; wenn er es recht bedachte, wirkte der Klempner ausgesprochen nervös.
    Genau das sagte er ihm auch.
    Vincent erntete einen verblüfften Blick.
    »Das Dickicht ist krank, das ist los«, sagte Than in einem Tonfall, als müsse er einem Kleinkind erklären, wohin am Ende des Tages die Sonne verschwindet.
    »Krank?«
    Vincent blieb abrupt stehen und blickte sich um.
    »Du merkst nichts davon, stimmt’s?« fragte Than.
    »Kann er gar nicht!«, rief Lukaschik aus, der vor ihnen weit ins Innere der Sämlingslinse gelaufen war. »Völlig unmöglich!«
    Er konnte kaum gehört haben, was Vincent und Than gesagt hatten, aber sein Eingesicht war nahe genug bei ihnen.
    »Stummblind und unnütz!«, schrie Lukaschik fröhlich. »Merkt nichts und faselt von zahmen Wolkentauchern! Haha!«
    Vincent schluckte. Er wusste zwar, dass der Nachträglich Zusammengesetzte von den anderen Vilmern für mehr als nur ein bisschen verrückt gehalten wurde, aber er kannte auch das Sprichwort. Das von den Kindern und den Narren, die die Wahrheit sagen.
    »Ist das so?«, fragte er Than.
    Dessen Eingesicht steckte den dicken Kopf in ein dichtes Gestrüpp und schien sich darin verkriechen zu wollen. Sein menschlicher Teil konnte nicht so einfach verschwinden und sah sehr verlegen drein.
    »Ganz so drastisch würde ich das nicht ...«, fing er an, aber Lukaschik unterbrach ihn.
    »Kommt mit nur einem halben Kopf Erinnerung aus dem Wald gekrochen!« Lukaschiks Stimme trug unerhört weit in der Sämlingslinse. »Kennt kaum seine Adresse! Versteht den Regen nicht!«
    »Seht ihr das so, ja?«, fragte Vincent. »Ich bin der verwirrte Dummkopf, der schon deswegen dusslig ist, weil er kein bepelztes Zweit-Ich hat?«
    »Bleibt auf ewig allein!«, schrie Lukaschik. »Unkomplett bis in den Tod! Nicht mal die Wurbls würden ihn fressen wollen!«
    »Halt’s Maul!«, brüllte Than in Richtung des wie ein Gummiball auf und ab hüpfenden Lukaschik. »Sei still, du verrückte Schreile!«
    Das wirkte. Zwar hörte der Nachträglich Zusammengesetzte nicht mit dem Herumspringen auf, aber seine Beschimpfungen versiegten.
    Für Vincent machte das keinen Unterschied. Er starrte Than an, der verlegen herumdruckste, aber kein Wort mehr herausbrachte. Das Eingesicht des Klempners hatte sich irgendwo, komplett außer Sicht, in irgendwelchen Gewächsen verkrochen. Es war Than deutlich anzusehen, dass er den Rest auch am liebsten versteckt hätte, wenn er Lukaschiks Diagnosen schon nicht zu widersprechen wagte.
    Er musterte Vincents Füße.
    Einige Sekunden lang war es still, bis auf das Tröpfeln des Wassers ringsum. Zwergenhafte Tiere schlüpften zwischen feuchten Blättern hindurch und machten dabei winzig kleine Geräusche.
    »In Ordnung«, sagte Vincent

Weitere Kostenlose Bücher