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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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alle sauer bleiben.«
    Er sah die alte Lehrerin an.
    »Dafür fällt dir auch noch was ein«, sagte er.
    Sie nickte.
    »Und jetzt holst du dir trockene Hosen. Ich habe keine Lust, einem erkälteten älteren Herrn ohne Pause Äthyltees mit Vitamin-C-Überschuss zu kochen.«
    Ein paar Zitronen würden es auch tun oder ein halbes Dutzend Kiwi, dachte Harenbergh, aber an Zitronenbäume oder Kiwi-Lianen war hier natürlich noch viel weniger zu denken als an Pflaumen.

18. Rituale des Übergangs
    Lukaschik hatte gute Tage und schlechte Tage.
    An guten Tagen stoben die Ideen nur so durch seine Köpfe. Dann fühlte sich sein Bewusstsein an wie so eine Schneekugel, die jemand unaufhörlich schüttelte, und die Welt glitzerte. An schlechten Tagen hatte er das Gefühl, niemanden verstehen zu können, als wären die Gedanken der anderen und sogar die eigenen hinter dicken nassen Tüchern verborgen. Die Gerüche, die seine beiden Nasen aufsogen, waren an solchen Tagen derart unterschiedlich, dass er sich am liebsten Säure in seine Riechorgane geträufelt hätte.
    Und dann gab es da noch Tage, für die er keinen Namen hatte. Tage, an denen ihn eine schmerzhafte, kristalline Entschlossenheit dazu trieb, Dinge zu tun.
    Als er damals den beiden Ganoven die Liste der Rätselfrüchte überlassen hatte, hatte er das in einem solchen Augenblick bestürzender Klarheit getan. Er hatte gewusst, dass diese Datei Leandro Cummino und seinen Handlanger, dessen Namen er immer wieder vergaß, ins Unglück stürzen würde. Er konnte ihnen geben, was sie wollten, oder sie eigenhändig von irgendeiner Klippe stürzen: Es lief auf dasselbe hinaus.
    Es hatte sich gut angefühlt.
    Er bastelte gerade in Adrian Harenberghs Werkstatt herum, trank Unmengen Äthyltee und baute noch brauchbare Teile aus einem schrottreifen Geländekugler aus. Die meisten Teile demontierte er mit seinen Händen, während die kräftige Schnauze sie vor dem Kugler in akkurat geordneten Reihen ablegte. Nur hin und wieder kam er an knifflige Stellen, bei denen ihm die kleinen Mittelpfoten besser helfen konnten. Mitten in der Arbeit hielt er inne und starrte sich selbst an, als die überirdische, schneidend kalte Klarheit ihn wieder überkam wie eine Offenbarung. Alles, was er wusste, änderte den Platz in seinem Bewusstsein und ordnete sich neu an. Jetzt ergab es einen Sinn. Alles.
    Er erschrak in diesem Augenblick, fühlte seine Herzen schneller schlagen und fühlte sich, als habe man ihm dicke Pflaster von allen Augen heruntergerissen.
    Es war alles so einfach!
    Lukaschik sah sich um.
    Er war beinahe allein in der Werkstatt. Nur Toronlukas war auch da und machte sich an den Werkbänken zu schaffen. Es blieb ja immer Werkzeug dort liegen, wo es zuletzt benutzt worden war, und irgendwann musste sich jemand der zerstreuten Teile annehmen und sie dorthin zurücksortieren, wo sie hingehörten.
    Aber das war nicht wirklich der Grund für Toronlukas’ Anwesenheit. Er war einfach hier, genau so wie er sich meistens in Lukaschiks Nähe herumtrieb. Als ob die Tatsache, dass sein Eingesicht früher einmal zu dem gehört hatte, was später Lukaschik geworden war, sie irgendwie zu Brüdern oder so machen würde. Und das war nicht der Fall. Lukaschik hatte versucht, mit Toronlukas zu reden, natürlich nur an guten Tagen, und der andere hatte nichts, aber auch gar nichts verstanden. Seitdem ignorierten sie einander, so gut es eben ging.
    Na gut, gab Lukaschik sich selbst gegenüber zu, er selbst ignorierte Toronlukas, und zwar vollständig. In der Gegenrichtung funktionierte das nicht ganz so gut.
    Toronlukas würde kein Hindernis sein bei dem, was er vorhatte.
    Lukaschick betrachtete den Kugler, den er gerade auseinanderbaute. Er ging mit beiden Körpern um das Ding herum und musterte es so aufmerksam, als wäre es gerade vom Himmel gefallen. Die Maschine war immer noch fahrtüchtig. Zwar fehlten bereits die Verglasungen der Kabine, und den Probengreifer hatte er eben selbst auseinandergenommen, aber er würde beides nicht brauchen.
    Er brauchte lediglich ausreichend Energie, um den langen Weg zu schaffen.
    Als er zum neuesten Werk Harenberghs hinüberging, eine der Wartungsklappen öffnete und den frischen, vollständig geladenen Kondensatriden entnahm, blickte Toronlukas ihn verwirrt an und schien darüber nachzudenken, ob er etwas sagen sollte, und wenn ja, was. Wie so oft konnte er sich nicht entscheiden und blieb stumm.
    Lukaschik war es recht. Lukaschik-J ergriff den Kondensatriden

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