Vintermørket
Moment des Sterbens etwas? Wusste Rex, dass ich ihn nicht gehen lassen wollte, dass er mir alles bedeutete? Ich hoffte es. Hoffte es so sehr.
Das Atmen wurde schwächer. Die Luftzüge glichen nur noch einem kaum wahrnehmbaren Röcheln. Rex Lider wurden schwer, sein Herzschlag immer langsamer. Es war wie ein Lied, das mit den letzten Tönen ausklang. Eine seichte Melodie, die Trauer zurückließ.
Ich wünschte mir, dass er nicht litt. Dass er es gut haben würde an dem Ort, an den er ginge.
Der letzte Atemzug verließ seinen Körper, der letzte Takt seines Herzen verstummte. Die Muskeln unter meiner Hand erschlafften. Es war, als würde sämtliche Spannung von Rex abfallen. Ein Teil von mir ging in diesem Augenblick mit ihm. Auf die endlose Reise, bei der es kein Zurück gab. Ich schenkte Rex ein trauriges Lächeln, legte die Hand über seine Augen und schloss die Lider.
Vielleicht konnte er mir irgendwann verzeihen, dass ich die letzten Jahre nicht für ihn da gewesen war. Vielleicht wusste er, dass ich ihn nie vergessen würde.
Die Zeit schien still zu stehen. Die Welt drehte sich nicht weiter. Alles war grau um mich herum. Mein Leben hatte die Farbe verloren. Ein Abschied für immer, der sich in meine Seele fraß.
Zehn gemeinsame Jahre hatte ich mit Rex verbracht. Tagtäglich. Zehn Jahre, in der die Freundschaft zu Thore gewachsen war. Zehn Jahre … die durch sechs Monate zerstört worden waren.
Ich saß lange einfach nur da. Rex allmählich erkaltender Körper immer noch auf meinem Schoss. Die Zeit flog an mir vorbei, die Kälte nagte an mir. Ob es Stunden oder Minuten waren, konnte ich nicht sagen. Ich wusste nur, dass ich mich tot fühlte.
Irgendwann ging vor mir jemand in die Hocke, nahm Rex und trug ihn fort. Die Stelle, auf der sein Gewicht gelegen hatte, fühlte sich plötzlich leer an. Ich starrte auf meine Oberschenkel. Auf die Haare, die an meiner Hose hingen. Rex war nicht mehr da. Tot. Aus dem Leben gegangen … und dennoch konnte ich es nicht begreifen.
Eine Hand strich mir über die Wange. Sie fühlte sich warm an, aber die Wärme konnte nicht in mich dringen. Ich roch die Mischung aus Nadelwald und Schnee, die mich merkwürdigerweise beruhigte. Aber ich konnte mich nicht regen. War wie gelähmt.
Eine tiefe Stimme drang an mein Ohr, doch ich verstand kein Wort von dem, was gesagt wurde. Ich wusste nur, dass Rex nicht mehr da war … nie wieder. Für immer fort.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, als wenn ich schweben würde. Arme hielten mich umschlungen, trugen mich aus der Scheune. Die Kälte von draußen biss an meinem Körper, aber sie war nichts im Vergleich zur inneren. Ich schloss die Augen, wollte nichts sehen und nichts spüren.
Irgendwann wurde ich auf etwas Weiches gelegt. Meine Kleidung verschwand und schließlich begrub mich Stoff. Etwas Schweres legte sich neben mich. Es zog mich dichter an sich heran und strahlte eine unglaubliche Wärme ab. Nadelwald und Schnee dachte ich mir, bevor ich in einen Schlaf sank, aus dem ich nicht mehr aufwachen wollte.
***
Ich schreckte auf. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Der Albtraum hallte in mir nach. Aufgewühlt strich ich mir über das Gesicht. Rex konnte nicht tot sein. Er tobte bestimmt noch mit den anderen Huskys unten in der Scheune.
„Lex?“, drang es leise an mein Ohr. Es war Thores raue Stimme. Im Zimmer war es dunkel, nur der Mond warf sein fahles Licht in den Raum. Ich konnte Thores Silhouette ausmachen, seinen Körper, der direkt neben mir lag. Verwirrt sah ich ihn an. Seine stahlblauen Augen funkelten dunkel in der Finsternis. Langsam sickerte die Erkenntnis in mein Bewusstsein. Ich wollte es nicht wahrhaben.
„Nein“, meinte ich erstickt, fassungslos. Kein Albtraum. Es war bittere Realität. Eine Hand legte sich auf meinen nackten Rücken. Ich zuckte zusammen. Die vorherige Taubheit war verschwunden, jetzt spürte ich den Schmerz des Verlustes. Mein Herz krampfte sich zusammen, meine Kehle schnürte sich zu.
„Ich bin schuld“, stellte ich fest. Die Pein erschlug mich. Die Hand auf meinem Rücken wanderte höher, bis sie meinen Nacken erreichte und mich zwang, das Gesicht Thore zu zuwenden. Er hatte sich aufgesetzt und hielt mich fest.
„Nein. Es war Zeit zu gehen für Rex.“
Sein Blick duldete keinen Widerspruch, so schluckte ich die Worte hinunter, die mir auf der Zunge lagen. Thores Augen ließen mich nicht los. Sie waren wie
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