Violas bewegtes Leben
unterrichtet.«
»Vielleicht liegt es an uns.« Ich zucke mit den Schultern.
Marisol drückt die Tür zur Mensa auf. Wir werden von schallendem Gelächter und lautem Gerede empfangen, da so ziemlich jedes Mädchen von der neunten bis zur zwölften Klasse entweder an der Essensausgabe steht oder bereits an einem Tisch sitzt und isst.
Ein warmer Schwall aus der Deckenheizung am Eingang wärmt uns beim Eintreten. Heute gibt es Hühnerragout mit Nudeln und ich kann schon die dreieckigen Apfelkuchenstücke sehen, die zum Nachtisch serviert werden. Lecker.
Marisol und ich studieren die Menüpläne im Online-Newsletter der Schule so eifrig wie Archäologen auf einer Grabung einen besonderen Schatz, den sie gerade bergen. Wir sprechen immer wieder darüber und freuen uns schrecklich, wenn etwas angekündigt wird, das wir mögen.
Marisol reicht mir ein Tablett, stellt dann ihr eigenes auf die Ablage und legt Besteck und Servietten darauf.
Ich winke Suzanne und Romy zu, die uns am Fenster Plätze frei halten, an einem Tisch, der mittlerweile fast schon uns gehört. Es ist echt lustig. Meine Mutter sagte, es würde genau zwei Wochen dauern, bis ich die Schule mögen würde. Ich bin nun fast einen Monat hier (machen wir uns nichts vor – ich bin eine harte Nuss!), und allmählich wächst mir das Internat wirklich ans Herz. Es sind die kleinen Dinge wie Abendessen mit meinen Mitbewohnerinnen, wenn es draußen kalt ist, oder die Schulversammlung am Freitag, wo meistens nur langweilige Redner auftreten und wir sie hinterher mit unseren Fragenverrückt machen, oder der Unterricht, wenn ich etwas lerne, von dem ich weiß, dass ich es später im Leben tatsächlich mal brauchen werde – das sind die Momente, in denen es mir hier irgendwie gefällt.
Die Prefect Academy hat sich auf seltsame Weise in eine Familie verwandelt, die sich immer wieder verändert und in der alle alles anders sehen. Dennoch sehnen wir uns nach dem Vertrauten und wachen eifersüchtig über unsere Tische und Stühle und sitzen jeden Abend am gleichen Platz. Alle Mädchen machen das so. Das gehört zu unserem Leben hier. Es erinnert uns daran, dass wir aufeinander angewiesen sind und dass das, was uns Sicherheit gibt, am besten für uns ist.
Marisol und ich winken den Mädchen aus dem Nachbarzimmer zu.
»Hast du das mit Missie Cannon aus dem dritten Stock vom Südflügel schon mitgekriegt?«, flüstert Marisol mir zu. »Sie ist zurück nach Pennsylvania.«
»Was ist passiert?«
»Man hat sie beim Trinken erwischt.«
»Du machst Witze.«
»Nein. Sie ist in der Zehnten und hat ein paar Flaschen Alcopops eingeschmuggelt und verteilt, und jemand hat sie verpfiffen.«
Marisol und ich nehmen unsere Tabletts und schlängeln uns zwischen den runden Tischen zu unseren Mitbewohnerinnen durch.
»Hört mal, da müssen wir unbedingt hin.« Romy hält einen Zettel in die Höhe.
PARTY
FÜR ALLE NEUNTKLÄSSLERINNEN !
AM 15 . NOVEMBER 2009
IN DER GRABEEL SHARPE ACADEMY FÜR JUNGEN
LAKEWOOD
ABFAHRT DER BUSSE UM 18 UHR
»Ich fahre auf keinen Fall zur Schnarchnasen-Academy zu einer Party«, sage ich zu den Mädchen, während ich Tablett und Rucksack abstelle.
»Welche Schnarchnasen-Academy?«, fragt Romy.
»Das ist sozusagen das Gesetz des Dschungels hier in der PA«, erkläre ich. »Ich habe es immer wieder bei den älteren Schülerinnen gehört. Schließlich hab ich mal eine gefragt, was mit dieser Schnarchnasen-Academy eigentlich gemeint ist, und sie erklärte, so würden die Mädchen hier schon seit Generationen unsere Partnerschule nennen. Deshalb: ohne mich. Ich gehe auf keinen Fall.«
»Ach, vermutlich ist irgendeine beleidigte Zicke vor hundert Jahren mal von einem Grabeel-Sharpe-Kerl abserviert worden und hat daraufhin eine Rufmordkampagne gestartet, um die Schule für immer und ewig schlechtzumachen. Jungs können zwar Idioten sein. Aber nicht alle«, sagt Suzanne diplomatisch.
Die wahren Gründe, warum ich keinesfalls in einen Bus steige und zu dieser Party gehe, werde ich ihnen nicht offenbaren. Sie müssen ja nicht wissen, dass ich niemals zu einer Party gehen werde, solange ich nicht von jemandem wie Tag Nachmanoff begleitet werde. Wenn ich mich in sämtlichen anderen Bereichen meines Lebens nicht mit dem Durchschnitt zufrieden gebe, warum sollte ich mein Niveau dann senken, wenn es umJungs geht? Ich benutze keine billige Schrottkamera zum Filmen, ich esse kein Junkfood und ich gehe nicht zu einer Party, wo nur Langweiler
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