Violas bewegtes Leben
Zwanzigerjahre-Kostüme ausgegraben. Sie hat Charleston-Kleider, Seidenstrümpfe, Topfhüte und Handschuhe für die Schauspielerinnen gefunden. Die Figuren sind richtig zum Leben erwacht, als sie die Kostüme angezogen haben.
Die größte Überraschung aber war Suzanne, die noch nie im Leben Theater gespielt hat und nun die Hauptrolle der May McGlynn übernahm. Sie sah wunderschön aus bei den Aufnahmen, mit den glänzenden blonden Haaren und dem langen, schlanken Oberkörper, der perfekt zu den Kostümen jener Zeit passte. Mit der Anmut und der Weisheit eines alten Profis vollführte sie den Sprung von der koketten jungen Schauspielerin zum tragischen Opfer. Ich kann es kaum erwarten, Grand zu zeigen, was Suzanne aus der Rolle gemacht hat.
Und ich glaube, Suzanne hat sich bei den Dreharbeiten auch mit dem Theatervirus infiziert.
Der Film hat den Vierer Nr. 11 derartig zusammengeschweißt, wie wir es nie erwartet hätten. Es ist eine Sache, harmonisch zusammenzuwohnen, aber zusammen zu arbeiten und sich dabei gut zu verstehen und sich gegenseitig in einem professionellen Umfeld zu unterstützen, ist wirklich etwas Besonderes. Ich werde nie vergessen, wie die drei sich ins Zeug gelegt haben, nur für mich.
Seit dem Ende der Ferien ist die Zeit wie im Flug vergangen. Die Schule und die Vorbereitungen für den Film und dann die eigentlichen Filmaufnahmen … kaum zu glauben, dass es schon März ist! Der Schnee ist geschmolzen und hat jede Menge Matsch und Schmelzwasser im Rinnstein zurückgelassen. Der Frühling versucht, sich nach South Bend durchzukämpfen, während rote und gelbe Krokusse sich durch das Wintergestrüpp aus der Erde schieben. Die kahlen Äste der Bäume haben einen feinen grünen Schimmer bekommen und sind kurz davor, Knospen zu treiben.
Ich schicke Andrew eine Message. Ich habe ihm die Aufnahmen von der Szene mit Grand und George geschickt und würde gerne wissen, wie er sie findet.
Ich: Hast du meine Aufnahmen gesehen?
AB: Unheimlich, aber verdammt cool.
Ich: Das ist Grand.
AB: Ich weiß. Wer ist der Typ?
Ich: Ein Schauspieler.
AB: Das dachte ich mir.
Ich: Im echten Leben ist er ihr Freund.
AB: Wahnsinn.
Ich: Wie fandest du Suzanne als May?
AB: Genial.
Ich: Eine echte Göttin.
AB: Aber echt. Sie kann spielen.
Ich: Ich weiß.
AB: Aber das liegt auch daran, weil du so eine gute Regisseurin bist.
Ich: Danke.
AB: Du hast einen tollen Film gedreht.
Ich: Danke. Wieso die vielen Komplimente?
AB: Das sind Tatsachen.
Ich: Du bist der Beste!
AB: Ich weiß.
Ich: Wie geht’s Olivia?
AB: Sie sitzt gerade neben mir. Wir machen zusammen ein Referat für Chemie.
Ich: Prima.
Ich lehne mich zurück und warte darauf, dass Andrew nach Jared und mir fragt.
AB: Wann fährst du nach Toledo zu dem Wettbewerb?
Ich: Freitag. Mrs. Zidar fährt mich. Meine Mitbewohnerinnen kommen auch mit.
AB: Cool. Glaubst du, du gewinnst?
Ich: Eigentlich nicht.
AB: Wieso?
Ich: Andere kommen mit Filmen über Ökolandbau und ErneuerbareEnergien als realistische Alternative zum Erdöl. Ich habe einen altmodischen Krimi gedreht.
AB: Aber er ist sehr gut.
Ich: Danke, Andrew.
AB: Es ist wahr.
Ich: Ich wünschte, du könntest dabei sein.
AB: Olivia würde gerne wissen, ob Feldmans Halbjahresklausuren in Robotik schwer sind.
Warum redet er mit Olivia, während er mit mir chattet?
Ich: Ja.
AB: Ich sag’s ihr.
Na schön. Offenbar wird er mich nicht nach Jared fragen.
Ich: Also, ich muss los.
AB: Bis dann.
Andrew loggt sich aus. Ich fühle mich verlassen. »Puh«, sage ich laut.
»Was ist los?« Suzanne schaut von ihrem Schreibtisch auf.
»Andrew wird von Tag zu Tag merkwürdiger.«
»Ist er immer noch mit Olivia zusammen?«
»Ja.«
»Bestimmt sie immer noch über sein Leben?
»Es ist noch schlimmer geworden. Sie saß direkt neben ihm. Er und ich haben gar keine Privatsphäre mehr. Es ist schrecklich.«
»Vielleicht trennt er sich bald von ihr.«
»Das glaube ich nicht. Es ist, als hätte Andrew einen Chef gebraucht. Als würde ihm das gefallen.«
»Er steht voll unter ihrer Fuchtel.«
»Total.«
»Danke, dass du mir eine Kopie des Films gegeben hast, damit ich ihn meinen Eltern schicken kann.«
»Machst du Witze? Du hast doch den Film überhaupt erst so gut gemacht. Du warst großartig.«
»Ich habe mich bemüht«, sagt Suzanne.
»Bemüht? Du hast uns alle überwältigt. Du bist die geborene Schauspielerin.«
»Dank dir. Du hast mir gesagt, was ich
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