Violas bewegtes Leben
warnt May, die Karten würden von der Reise abraten, während Trish eine leidenschaftliche, aber völlig übertriebene Darbietung als Reporterin Hedda Hopper in Hollywood abliefert, die im Radio von May MacGlynns Tod berichtet. Eigentlich hätten Trishs Aufnahmen beim Schneiden im Papierkorb landen müssen, doch leider ist ihre Figur für die Geschichte so wichtig, dass ich nicht auf sie verzichten konnte. (Den Fehler mache ich bestimmt nicht noch mal!)
Grands und Georges Szenen sind in die Rahmenhandlung hineingeschnitten. Und ich habe sogar eine echt abgefahrene Flashback-Szene zustande gebracht, und zwar als Mrs. Carleton auf das Kartenblatt vor ihr auf dem Tisch starrt. Das Schwarz und Weiß der Karten zerbricht, und dann kommt ein Schnitt auf die Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Und dann habe ich noch diese unheimliche Musik aus Die Fliege unterlegt (wirdürfen solche Sachen verwenden, weil der Film für einen Wettbewerb gedreht wurde und nicht, um damit Geld zu verdienen). Jedenfalls ist es total genial geworden.
»Wow.« Marisol schaut mich an, als der Ende -Schriftzug ins Bild springt.
Meine Mitbewohnerinnen applaudieren wie wild.
»Gefällt er euch wirklich?«
»Ich finde ihn großartig«, sagt Marisol.
»Unglaublich, wie du das hingekriegt hast«, schwärmt Romy.
»Ich bin so was von mies«, sagt Suzanne. »Hoffentlich habe ich dir nicht den ganzen Film versaut.«
»Machst du Witze? Du warst toll«, sage ich zu ihr.
»Du bist meine Freundin. Die echte May McGlynn war viel schillernder als ich.«
»Quatsch. Du bist gut«, sagt Romy zu Suzanne.
»Ich finde den Film einfach genial«, sagt Marisol tröstend. »Er ist spannend und originell. Und für einen Kurzfilm ist er ganz schön anspruchsvoll. Die Aufnahmen mit deiner Kamera sind toll geworden. Ich glaube, du hast gute Chancen zu gewinnen.«
»Trish sagt, ihr dürft mit mir nach Toledo fahren. Ich hoffe, ihr kommt mit.«
»Wahrscheinlich müssen wir die ganze Fahrt über Pfadfinderlieder singen«, stöhnt Romy. »Aber das werde ich schon überleben.«
»Es ist ja für einen guten Zweck. Wir müssen unsere Schwester unterstützen.«
Marisol spricht das Wort Schwester ganz unbekümmert aus, als wäre es ihr einfach so eingefallen, ohne groß darüber nachzudenken. Mein ganzes Leben lang habe ich mir eine Schwester gewünscht. Als ich klein war, hoffte ich, meine Elternwürden noch mal ein Baby bekommen, und dann, als ich zwölf war, wollte ich, dass sie nach China fliegen und eins adoptieren. Mom lächelte immer nur und sagte: »Wir haben schon mit dir alle Hände voll zu tun.« Und vielleicht hatte sie recht. Aber was Mom mir nicht sagte, war, dass man als Mädchen auf seinem Lebensweg Schwestern findet oder von ihnen gefunden wird. Mädchen sind in dieser Hinsicht sehr cool.
Ohne meine Mitbewohnerinnen hätte ich den Film niemals machen können. Und ohne sie wäre ich nach der ersten Woche hier wieder abgereist. Wir verbringen viel Zeit miteinander, wir helfen uns, wir erzählen uns unsere schlimmsten Ängste und größten Geheimnisse und wir hören uns gegenseitig zu, wie echte Schwestern, und verurteilen die andere nicht. Und immer und immer wieder sind sie für mich da, ob es um die kleinen Dinge geht oder um die richtig großen. Die drei sind einfach toll. Romy hat noch nie ein Budget aufgestellt, Marisol noch nie ein Bühnenbild entworfen oder Kostüme ausgesucht und Suzanne hat noch nie geschauspielert, aber als ich sie um Hilfe bat, zögerten sie keine Sekunde lang. Sie waren für mich da, wie Schwestern. Ja, manchmal streiten wir oder gehen uns auf die Nerven, aber die meiste Zeit sind wir auf eine coole Art eine Ersatzfamilie. Und diese Erkenntnis ist das Beste am Leben hier in der Prefect Academy. Ich habe Suzanne, Romy und Marisol gefunden, und sie haben mich gefunden.
DREIZEHN
Mrs. Zidar parkt den Kleinbus auf dem Gästeparkplatz der Universität von Toledo. Der Campus ist groß und weitläufig und besteht aus einer Vielzahl von Gebäuden, die durch ein Netz aus Gehwegen miteinander verbunden sind, sodass mir das Gelände wie eine eigene kleine Stadt vorkommt. Trish, die zweite Begleitperson an Bord, war überhaupt nicht nervig auf der Fahrt. Sie hörte ein Hörbuch und schwieg die meiste Zeit.
Wir folgen den kopierten Plakaten, auf denen willkommen zum filmwettbewerb der weiterführenden schulen des mittleren westens steht, bis zur Eingangshalle des Auditoriums. Mir ist ein bisschen flau zumute. Einen Film am Computer im Wohnheim
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