Violett ist erst der Anfang
Ewa und Jule, vermutlich zeitnah tot, aber … glücklich, irgendwie?
KAPITEL 8
Mit ihrer Befürchtung lag Ewa richtig. Leider. In der Maske war Susans Wiedersehensfreude nicht besonders groß. Ein kurzer Aufschrei, und ein Haarspray ging scheppernd zu Boden, während das sonst so entspannte Hippie-Mäuschen mit Stupsnase und Blümchenbluse fassungslos von einer zur anderen starrte. »Was zum Teufel habt ihr angestellt?«
Jule und Ewa warfen sich unschlüssige Blicke zu, ehe sie zusammen antworteten:
»Wir haben geprobt«, kam von Ewa.
»Willst du nicht wissen«, von Jule.
Und bam, jeden Lügendetektor hätte es an dieser Stelle der Story zerrissen. Auch Susan schien kurz vor der Detonation, doch sie hielt ihren Groll tapfer in Zaum und werkelte los. Schweigend, und beeindruckend flott. Erst wurde Ewa neu gestriegelt, dann Jule in Rekordtempo frisch zugespachtelt und auf jung getrimmt. Dabei rutschte Jule im Frisierstuhl unruhig herum. Schlecht wurde ihr auf einmal, richtig schlecht, beim Gedanken an Fred. Sah sie die Situation zu blauäugig? Petzte der wirklich nicht? Im Team wurde viel getratscht, die Gerüchteküche brodelte ständig. Kurz kochte was hoch und genauso schnell wieder runter, poff, vergessen, neues Thema. In ihrem Fall ging es jedoch um ein Wie-auch-immer-Techtelmechtel zwischen zwei Frauen, Ewa und sie, beide bisher und offiziell sowas von hetero. Wenn das mal keine Sensationsmeldung war unter lauter Männern – Leute, da läuft was. Und dann? Strahlende Gesichter, Standing Ovations oder Knüppel ins Genick, fiese Sprüche ohne Ende, zielgenau unter die Gürtellinie? Tja, wer wusste das schon.
Fest stand allerdings: Das ging zu schnell, alles viel zu schnell. Ewa, Ewa, Ewa, und ja, ja, ja, die hatte es ihr angetan, irgendwie. Und ja, ja, ja, sie waren nun ein Paar, irgendwie. Trotzdem. Outing? Hier? Mit einem Räuspern eine hochoffizielle Ansage an das Arbeitervolk: Leute, hört mal her, wir sind jetzt Violett und knutschen künftig auch nach Feierabend. Wer was dagegen hat, werfe ein Drehbuch oder schweige für immer … Ne, das ging nicht. Wäre ja, als würde man sich gleich panisch zu den Vegetariern bekennen, nur weil man mal im Steakhouse die Salatbeilage probiert hatte. Ausnahmezustand, Experimentiermodus, darauf hatten sie beide sich verständigt, bis auf weiteres. Und solange hielt Fred Flitzpiepe hoffentlich die Klappe …
Nach Susans Restaurierungsrekord wagten Jule und Ewa sich todesmutig wie zwei Gladiatoren in die Arena, äh, in Studio Neun. Werbeagentur Brockhoff. Jeder Gegenstand, der irgendwie nach Büro aussah, wurde in diese grau-blaue Kulisse gepfercht. Schreibtisch reihte sich an Schreibtisch an Kopierer an Empfangsbereich an Kaffeenische an Flipchart, mehr ging nicht rein in die Bretterbutze. Zumal tatsächlich bereits das gesamte Team versammelt war.
»Grüß Gott. Wir sind da.« Jule versuchte ihr Glück als Stimmungskanone mit einem breiten Grübchenlächeln und scannte dabei verstohlen die Lage. Kein Applaus, weder Blümchen noch Konfetti, überall nur angepisste Blicke und mürrisches Schnauben. Super. Schien, als hätte Fred sie nicht geoutet. Ups, der quatschte gerade mit Kabelträger Ti-Fi-ne-Karsten, der wiederum äußerst angefressen dreinguckte. Aber das konnte auch andere Gründe haben. Egal. Alles in Butter, dem Himmel sei Dank.
»Ewa, Jule, wo wart ihr so lange? Ich will eine Erklärung, sofort«, tobte Siggi und kratzte dabei wüst in seinem Bart herum, was nie ein gutes Zeichen war.
Tja. Half nur noch die Kumpeltour. »Ach Siggi, manchmal verketten sich Umstände unglücklich, kennst du mit Sicherheit aus eigener Erfahrung. Wir haben lediglich …«, setzte Jule an.
Ewa fiel ihr ins Wort. »Können wir starten?«, sagte sie, und ihre Gesichtsfarbe hing dabei schuldbewusst in der Rotskala.
»Boah, danke. Der erste vernünftige Satz.« Fiep. Genervt stürzte Rauschgoldengel Leonie ihren letzten Schluck Kaffee hinunter, das konnte sie, und richtete sich kurz die Locken, das konnte sie auch, sonstige Talente blieben weiter fraglich.
Auch alle anderen beendeten die außerplanmäßige Kaffeepause und gingen grummelnd auf ihre Position. Jule bezog ebenfalls Stellung, am Kopierer. Angestrengt hirnte sie über die folgende Szene. Wie war das? Viola wusste Bescheid über Babetts Nummer mit Nick. Was Babett wiederum nicht wusste. Nun trafen sie in der Agentur aufeinander. Begleitet von Franzi brachte Viola widerwillig Schnittchen für irgendein Meeting.
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