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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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stummes Zeichen mit einer klaren Botschaft: Reg dich nicht auf, komm, wir packen das. Irgendwie. Recht hatte sie. Wäre doch gelacht. Sie beide waren Profis und hier ging es lediglich um ein Miniminütchen für eine hirnrissige Soap.
    »Können wir wieder?« Fiep. »Ich habe später noch ein Date.«
    Toi-toi-toi, Puppe. Hoffentlich ist der greise Sugar-Daddy schon taub, sonst sehe ich schwarz für dein Happyend. Egal. Was kratzte sie der Rauschgoldengel? Heute glich der Dreh einer Partie Mensch-ärgere-dich-nicht. Alles sportlich sehen, nichts persönlich nehmen, zurück auf Start.
    Beim Wort »bestellt« spürte Jule Ewas Blick prickelnd im Nacken, doch sie behielt den Kopierer unter Kontrolle, drehte sich um, legte ein süffisantes Grinsen auf und stolzierte aufreizend langsam zum Emfangsbereich. Ewa hatte sich ebenfalls im Griff, Halleluja, und guckte nicht verstrahlt, sondern mehr, als hätte ihr jemand spontan eine Bratpfanne übergezogen.
    »Hey, welch Glanz in diesen Hallen«, raunte Jule, beugte sich vor, typisch Babett, einmal Titten auf den Tisch. Rein theoretisch, so vom Prinzip her, praktisch funktionierte das mit gepushtem Körbchen dummerweise nicht. Anzüglich ließ Jule ihren Blick pendeln zwischen Ewa und den matschigen Frischkäsehäppchen, denen die Hitze der Studioscheinwerfer gewaltig zusetzte. »Sieht lecker aus.« Passend dazu leckte sie sich softpornogleich die Lippen und registrierte den zarten Rotstich von Ewas Wangen. »Magst du privat auch süße Schnittchen?« Alter, der Schreiberling von diesen Dialogen gehört erschossen.
    Gemäß Drehbuch verfinsterte sich nun Ewas Miene, klasse, machte sie top. »Ich hasse Spielchen!«, fauchte sie, wandte sich zum Gehen und Jule hielt sie am Handgelenk zurück.
    »Warte!«, sagte sie schnell, suchte Ewas Blick, fand ihn, Grundgütiger, dieses warme Funkeln, ich brech ein, und Jule verlor sich darin, rettungslos. Text, Schweitzer, reiß dich zusammen. »Ich spiele nicht. Nicht mit dir. Du hast keine Ahnung, was du in mir anrichtest. Jede Sekunde turnst du in meinem Kopf herum. Ich denke an deine Lippen, an unsere Küsse, so weich, so leidenschaftlich und prickelnd. Was auch immer das bedeutet, es fühlt sich gut an. Richtig gut, verstehst du? Ich will mehr, mehr von dir. Ich will mit dir alleine sein, endlich allein und ungestört nach diesem ganzen Mist und der bescheuerten Sache mit Snoopy, einfach die Welt ausblenden, dich spüren und berühren, die ganze Nacht.« So, noch ein letzter brunftiger Blick in Ewas schockiertes Viola-Gesicht und dann, äh, cut? Cut? Hallo? Leute, Schlamperei. Könnt ihr euch mal konzentrieren?
    »Jule …« Ewas Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch ihre Augen waren dabei so weit und panisch aufgerissen wie kurz vor einem Weltuntergang.
    Sonderbar. Irritiert drehte Jule den Kopf. Überall gaffende Gesichter und rote Ohren, als wollte das Team der Bogacz in diesem Punkt Konkurrenz machen.
    »Hör mal, Jule«, unterbrach Siggi endlich die Stille und räusperte sich. »Das klang zwar alles schön und flüssig, aber im Drehbuch stand dieser Text nicht.«
    »Ach. Tatsächlich?«, kam verwirrt von Jule, und sie fasste sich an die Schläfe. »Aber ich hab doch geflirtet und war nett.«
    »Kurze Pause?« Flehend sah Ewa Siggi an, der schließlich ergeben nickte.
    Ruppig packte Ewa Jule am Arm und zog sie mit sich, aus der Kulisse und ein paar Meter auf Abstand in den Studiogang. Ganz ehrlich? Jule bekam die aktuelle Situation nicht auf den Schirm. Schon wieder eine Pause? Es waren doch alle Mann noch angefressen wegen ihres verspäteten Auftritts.
    »Bist du jetzt total verrückt?«, zischte Ewa.
    »Ich? Ne. Aber offenbar du. Pause, ey, da werden wir ja nie fertig.« Genervt blies sich Jule eine Haarsträhne aus der Stirn.
    »Du-du hast …«
    »Was denn, Herrgott?« Dieser aufgewühlte Bogacz-Blick machte sie nervös. Verflixt. Irgendwas klemmte hier. Doch so sehr sie auch grübelte, da war keine Erinnerung. Blackout. Was zum Geier war ihr über die Lippen gerutscht?
    »Du hast uns ge-geoutet.« Ewa wurde rot und Jule blass.
    Wie bitte? »Scherz, oder?«
    »Lacht hier jemand?«
    »A-Aber ich meine, bist du dir sicher?«
    »Ey, bei dem, was du rausgehauen hast, gibt es keinen Interpretationsspielraum. Das war Text für mich, nicht für Viola. Kannst du dir gerne noch mal angucken. Ist alles im Kasten.« Ihr vorwurfsvoller Ton raubte Jule kurz die Luft, dann jeden Zweifel.
    Verdammter Scheißdreck, worst case.

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