Violett ist erst der Anfang
ich uns eine ordentliche Ladung Bigos«, meinte Alicja vergnügt, und ihr Grinsen zog sich über beide Backen.
Vergiss es, Süße. Die Tante geht gar nicht. Wir gehen.
»Nun komm schon rein, Babett.«
»Ich heiße Jule, zum Kuckuck«, entfuhr es ihr. Und ich bin keine Mastgans, du Kugel!
»Natürlich, Jule. Aber ich kenne dich eben bisher als Babett, das verwirt mich ein bisschen. Hach, ich freu mich wahnsinnig, dass du hier bist.«
Jule schluckte. »Dann da-danke. Für … die Gastfreundschaft.«
»Ist doch selbstverständlich.« Alicja zwinkerte ihr zu, packte sie am Jackenärmel und zog sie mit einem kräftigen Ruck in die Wohnung. »Willkommen, willkommen! Schuhe bleiben an, wir gehen in die Küche. Und dort musst du mir unbedingt erzählen, was du eigentlich beruflich machst.«
»Äh …« Spinnt die?
»Jule, wie läuft es in der Werbeagentur? Habt ihr gut zu tun?«
»Ich bin … Schauspielerin?«
»Weiß ich doch, Babett. Warum du allerdings kokst, musst du mir erklären. Das kapiert man in eurer Soap so gar nicht.«
Boah, wenn die mich weiter so doppelt anbrabbelt, bekomme ich ein fettes Identitätsproblem. Überfreundlich riss Alicja ihr das Gepäck aus der Hand und trieb Jule mit weiteren Willkommen-Parolen vor sich her durch den schmalen Flur in die Küche. Hereinspaziert und … Fuck! Jule schnappte nach Luft. Wo war sie hier gelandet? In der bunten Vorhölle? Von überall lächelten ihr die Geschöpfe von Disney und Konsorten entgegen. Auf der Esstischlampe tanzte Winnie Puuh mit Tigger, auf der Wanduhr grillte Spongebob, auf dem zartrosa Sitzpolster der Eckbank prangte Hello Kitty – und bei Jule machte es Klick. In ihren Fingern kribbelte es augenblicklich los.
»Alicja, hat Ewa von dir den ganzen Kindersch …« Sch-Scheiß? Schrott? Schwachsinn? Gott, welches Sch-Wort nehme ich? - Alle, Schweitzer. Immerhin bist du ein bejammernswertes Opfer von diesem »Sch-Spielkram?«, rutschte es ihr über die Lippen. Wie armselig. Schweitzer, du Lusche. Rammst den Übeltäter ungespitzt in Beton. Ha, von wegen. Aber Ewas Blick an sie war zu flehend gewesen. Nach dem Motto: Sei bitte lieb, Jule, ich kann nichts für die Macken meiner Freunde. Na schön. Und ehrlich gesagt fehlte Jule auch die Kraft für einen großen Aufstand. Nach Biene Maja und dem Snoopy-String hatte diese durchgeknallte Eventtante zwar durchaus einen kleinen Fausthieb verdient, aber morgen war auch noch ein Tag. Spätestens beim Frühstück lass ich eine Diddl-Tasse fallen und seh zu, wie du flennst, Kugel.
»Gefällt dir meine Sammlung, Babett?«
Jule verdrehte die Augen. »Ich bin …«
»Lass mich raten. Sprachlos?« Alicja kicherte. »Das geht allen so beim ersten Mal. Hach, ich weiß schon gar nicht mehr wohin mit all den schönen Sachen.«
»Ach. Und deshalb schenkst du Ewa den Sch… sch-schönen Kram? Zum Beispiel …« Jule schnaufte und gab sich alle Mühe ihre Faust wieder zu entballen. »Einen roten Snoopy-String?«
»Den hat sie dir gezeigt? Und er gefällt dir? Ach, das freut mich, Jule.« Schwupp, und wieder zog sie der dralle Drops an sich, mit Küsschen hier, Küsschen dort und noch mal von vorne.
Tu doch endlich was, Süße. Die ist total gestört. Doch Frau B. saß unbekümmert auf einem rustikalen Holzstuhl am Esstisch, säuselte Polnisch in Dauerschleife und kraulte glückselig ihren Bello, der sabbernd seine Nase in ihren Schoß drückte.
»Witaj w domu«, hörte Jule eine Männerstimme und fuhr herum, äh, blickte nach oben. Ein blonder, blasser Lulatsch mit schlampig geschnittenem Topfschnitt grinste sie an. Oh mein Gott, wer seid ihr? Spannenlanger Hansel und nudeldicke Dirn? Verwandt waren diese beiden auf keinen Fall. Ein Paar also? Unglaublich. Ein Event fürs Auge, nur schwer zu managen.
Ein Ruck ging durch Ewa. »Piotr!«, rief sie und schmiss sich ihm überschwänglich an den Hals. Er zog sie glucksend vom Boden in seine Arme und wirbelte sie wie ein Klammeräffchen ein paar Runden im Kreis.
Verdammt, schon wieder ein süßes Bild. Wie Frau B. aber auch strahlen konnte, wenn ihr das Herz überlief vor Freude. Jule seufzte innerlich, und tat sich dabei unsagbar leid. Bei so viel polnischer Wiedersehensfreude war sie komplett abgemeldet. Niemand nahm Notiz von ihr. Das Trio brabbelte was auch immer und knuddelte sich in einer Tour. Tja. Und ha, wenigstens war Lassie jetzt auch raus. Schwanzwedelnd betrachtete er das Treiben, gab dann jedoch die Warterei auf und trottete auf Jule zu. Ach
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