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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Nulluhrdreiundvierzig! Das heißt Dreivierteleins, komisch auf Hochdeutsch auch Viertel vor eins. Das heißt Freitag ist vorbei. Das heißt heute ist Samstag. Das heißt …«
    Ruppig krallte sich seine Hand in Jules Jacke und zog sie auf Zehenspitzen. »Schätzchen, verarsch Ronny nicht. Hicks.«
    Erschrocken hielt Jule die Luft an. Himmel, was lief denn jetzt für ein Film? »Lo-Locker blei-bleiben, Ro-Ronny«, stammelte Jule und klammerte sich beidhändig an ihre Brille. Keine Panik. Das fiel schwer, wenn man unwürdig an einer Faust baumelte wie ein totgeweihter Fisch an der Angel. Was nun? Ein knackiger Tritt in die Nüsse? Gewagt. Wenn der Kniekick in die Schrittzone nicht exakt saß, flog Jule als Wurfgeschoss an die nächstbeste Laterne. Die Sache auszudiskutieren hatte vermutlich auch wenig Sinn. Aber gut, hatte sie eine Wahl, als Elfe ohne überzeugendes Kampfgewicht? »Könntest du mich wieder ru-runterlassen, bitte?«
    »Hicks.«
    »Das wäre wirklich … brutal lieb von dir, Ro-Ronny.«
    »Hicks.«
    Verhärtete Fronten. Also schreien, so laut es die Soprantonlage hergaben? Hilfe? Feuer? Oder besser Hochwasser, hier im Norden? Uff, in dieser trostlosen Gegend half eigentlich nur …
    »Finger weg!« Ewa …
    Ihre Stimme donnerte ihnen so wuchtig und laut entgegen wie ein tieffliegender Düsenjet. Verwirrt drehte Saufnase den Kopf, als wäre ihm irgendwas Lästiges gegen die Rübe geflogen. Mit glasigem Blick beäugte er den blonden Zwerg, der da gerade drohend seine geschätzten 160 Zentimeter aufbaute. Neuverfilmung von David gegen Goliath. In den Hauptrollen der große Rülps-Ronny und die kleine Killer-Ewa, die hier unerschrocken in den Ring stieg.
    Gut so, Süße. Vielleicht sieht er dich doppelt.
    Ewas Blick loderte, finster und zu allem entschlossen. Kampfeslustig krempelte sie sich die Ärmel hoch und ballte die Fäuste.
    Box ihm in die Kniekehle. Nein stopp! Tu so, als hättest du ein Pfefferspray. Ist vielleicht besser. Welch dramatischer Auftritt. Frau B. auf dem Gipfel ihres schauspielerischen Könnens. Gerötet und schnaubend, als spielte sie in der Arena Stier und rotes Tuch zugleich. Nur leider schien Saufnase nicht im Geringsten beeindruckt. Mist. Und eingeschüchtert wirkte er leider auch nicht. Morgen kaufen wir dir höhere Schuhe, Ewa. Unverändert hielt der Kerl Jule am Jackenkragen. Doch halt. Täuschte der Eindruck oder schielte er mehr als vorhin? So eine Minispur nachdenklicher vielleicht? Süße, gleich haben wir ihn erledigt. Jule überlegte trotzdem fieberhaft, ob sich die Angelegenheit nicht doch ein wenig beschleunigen ließe. »Junge, sie besitzt einen schwarzen Gürtel.«
    »Finger weg von meiner Freundin!« Jetzt wieder Ewa. »Oder muss ich noch deutlicher werden?«
    Tolle Betonung, Süße, der Hammer! Tja. Da von der Saufnase nur ein Hicks kam, wurde Frau B. deutlicher. Röööhr, brüllte sie das polnische Schimpfwörterlexikon einmal rauf und runter. Jule brummte der Schädel, und auch Saufnase schien von diesem Vortrag geplättet. Ergeben ließ er seine Hände sinken und wankte im Zickzack von dannen.
    Ewas Wangen glühten und ihre Brust bebte. Begeistert strahlte Jule sie an. »Der Wahnsinn, Süße. Bei Gürtel hatte er schon gezuckt, aber dann … deine Ostblockmasche hat ihn echt zerlegt, du warst großartig!«
    »Jule …« Ewa klang erschöpft.
    »Was, Süße?«
    »Kann man dich nicht mal fünf Minuten alleinelassen?«
    »Wieso? Ich hab nichts gemacht. Ich war total nett zu dem.«
    »Eben.«
    »Wie jetzt? Ist das in Hamburg verboten oder was?«
    »Jule, stell dich beim nächsten Mal bitte einfach vor die Dönerbude und nicht direkt vor das Bordell.«
    Fuck. Irritiert blickte Jule sich um. Tatsächlich. Ein fataler Stellungsfehler. Exakt unter der pinken Leuchtschrift von Lunas Lustoase. Augenblicklich wurde ihr schlecht. »Du-du meinst, der dachte, dass ich … also … und dass ich ihm …« Sie schluckte, schlagartig hellwach. Unfassbar, Schweitzer. Und du behauptest immer, mit Männern kennst du dich aus. Zerknirscht biss sie sich auf die Unterlippe und fühlte sich so entsetzlich dumm.
    »War einfach ein langer Tag.« Milde lächelnd streckte Ewa ihr die Hand entgegen, die Jule dankbar umschloss.
    Hand in Hand, einträchtig und erschöpft zogen sie los durch die Nacht, ihr Köfferchen rollend im Schlepptau, die letzten Meter zu Alicjas Wohnung.
    »Sag mal Süße, seh ich nuttig aus? Verrucht?«
    »Ne, Jule. Klares Nein.«
    »Verwegen vielleicht?«
    »Du? Kein

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