Violett ist erst der Anfang
Oder kommen diese Stimmungsschwankungen von den Augentropfen?«
»Ewa …«, flüsterte Jule, ergriffen und erschöpft, und senkte ihr Gesicht noch tiefer in den Ausschnitt ihrer Freundin. »Ohne dich ist alles doof.« Gottchen Schweitzer, sei kein Schaf und halt mal lieber den Ball flach. Wäre gewiss vernünftiger, doch … ey, drauf geschissen. In diesem Moment hätte Jule Kompliment an Kompliment reihen können und hätte jedes davon ernst gemeint. Verrückt. Als würde sie ohne den Zwerg nichts mehr auf die Reihe kriegen. Oder lag es allein an diesem durchgeknallten Trip? »Ich will hier weg.« Wie gerne hätte Jule mit dem Finger geschnippt. Einmal beamen nach Berlin, in ihre Wohnung. Rollo runter, Teelicht an. Keine Menschen weit und breit, nur Ewa, die ihr mit sinnlichen Küssen den letzten Rest Verstand raubte.
»Kein Problem«, sagte Ewa. »In der Langen Reihe bin ich durch. Blumenladen, Weinhandlung, Fotograf – alles erledigt. Jetzt müssen wir noch in die City und …«
»Ewa?«, unterbrach Jule ihre Freundin.
»Äh … ja? Was ist?«
»Bekomme ich bitte, bitte deine Handynummer?«
Ewa lachte auf. »Na gut. Aber nur, weil du meine Freundin bist. Komm, gib her, dein iPhone. Ich speicher sie ein.« Während Ewa am Telefon hantierte, tanzte Jule innerlich Mambo, Jive und Lambada in einem, und hätte wieder heulen können. »So. Noch weitere Wünsche?«
Tausende, mein Schatz! Schnurr … »Ich brauche eine Sparkasse«, rutschte es Jule heraus, immens romantisch.
»Haspa ist vorne an der Ecke. Hopp!« Ewa zog sie aus dem Sitz und nahm wie selbstverständlich ihre Hand.
»Sekunde.« Jule stutzte. »Heißt das, wir … probieren das noch einmal? Wir beide, Hand in Hand, in aller Öffentlichkeit?«
»Unbedingt«, sagte Ewa vergnügt. »Wir rocken den Asphalt.«
»Äh … okay. Und woher kommt der Sinneswandel? Vorhin hat es dich gestört, überfordert, und zwei Frauen sind wir immer noch und Violett mag bestimmt nicht jeder und … äh, ich check’s nicht.«
»Was man gern hat, soll man festhalten«, flüsterte Ewa, hauchte einen Kuss auf Jules Handrücken und seufzte verliebt. »Und wenn ich dich frei laufenlassen, rennst du mir ohne Brille garantiert irgendwo gegen.« Sie gluckste. »Oder du wirfst deine EC-Karte in den nächsten Mülleimer und fluchst, weil das rote Ding keine Scheine ausspuckt.«
»Haha«, machte Jule, doch innerlich, tja, musste sie der Bogacz leider rechtgeben. »Steht da etwa wieder: Alles im Eimer?«
»›Eine mülde Gabe‹, bitte«, las Ewa von irgendeiner Tonne vor. »Sag mal, hattest du nicht vorhin noch einen Hunderter?«
»Ewa?«
»Ja?«
»Schön, dass du wieder hier bist.«
Nach so vielen Komplimenten wuchs die kleine Bogacz in Rekordtempo mit ihren Aufgaben. Souverän wie ein Blindenhund führte sie Jule erst zum Geld, dann zurück zum Bahnhof, einmal durch das Gewusel in der Wandelhalle und weiter in die City. Jule platzte schier vor Stolz und war emotional gerührt voll Dankbarkeit.
Irgendwann blieb Ewa stehen. »Kommst du mit rein?«
Jule rückte an ihrer Piloten-Porno-Brille. »Wo sind wir?«
»Saturn. Will Alicja ein neues Headset besorgen.«
»Dann flitz, Süße«, entschied Jule wehmütig, not amused über die erneute Trennung, aber wer wollte schon im typischen Samstags-Shopping-Gewühl kurzsichtig Türme aus Toastern umrennen? Sie bezog Stellung neben dem Eingang und wartete. Geduldig, ungeduldig, genervt und zückte schließlich ihr iPhone. Ewa Bogacz … Jules Herz hüpfte freudig beim Anblick dieses Namens in ihrem Nummernspeicher. Baby, jetzt bist du mein. Ewa, Ewa, Ewa … Sie wählte und schon ertönte eine weiche Frauenstimme mit »Hallo, dies ist die Mailbox von …« Erbost legte Jule auf, fluchte einmal laut, da schlangen sich zwei Arme von hinten um ihre Hüften.
»Sorry. Megalange Schlangen an den Kassen.« Ewa stopfte eine Tüte in Jules Handtasche. »Alles gut?«
»Nein«, brüllte Jule den Zwerg an. »Himmelarschundzwirn, geh gefälligst an dein Telefon, Bogacz!«
»Du hast angerufen?« Ewa klang verwundert und prüfte ihr Handy. »Oh. Akku alle. Egal. Jetzt bin ich ja da.«
Cut, cut, cut! Das war keine Achterbahnfahrt mehr, sondern ein Dauerlooping. Jule rieb sich die Schläfen. »Süße, ich glaube, wir brauchen ein Break.«
»Wie bitte?«, kam fassungslos von Ewa. »Du machst Schluss?«
»Quatsch. Ich meine eine Auszeit. Zeit für uns nach diesem ganzen Mist. Kuscheln, knutschen, was weiß ich. Was Schönes eben.«
»Aber
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