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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Bestell dir einfach einen neuen, ja? Bis gleich.« Schwupp, wieder war Ewa fort und Jules Latte auch. Tja. Warten. Im Schutz der Brille schloss Jule die Augen und lauschte. Vorbeifahrende Autos, klappernde Schuhe auf dem Asphalt, hier eine Fahrradklingel, dort Hundegebell. Von vorbeieilenden Personen schnappte sie Gesprächsfetzen auf, orderte beim nachfragenden Schatten noch einen Kaffee, trank und tagträumte. Entspannung hieß das Motto. Ooommm.
    Ein Räuspern von rechts. »Hinz und Kunzt?« Eine brummelige Frauenstimme ließ sie aufblicken.
    »Äh … wer?«
    »Hinz und Kunzt?«
    »Sorry.« Jule zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, wo die wohnen. Ich bin aus Berlin.«
    Ein Brummen. »Schätzchen, das aktuelle Straßenmagzin. Interesse? Oder eine kleine Spende für die Obdachlosen?«
    Ach du Scheiße. Peinlich, Schweitzer. Sofort wühlte Jule in ihrer Handtasche, zog einen Schein aus der Geldbörse und reichte ihn in Richtung Stimme. »Ein Exemplar bitte. Der Rest ist für Sie.« Rums, klebte Jule an einem nach Zigarettenrauch müffelnden Parka. Zwei starke Arme knuddelten sie innig und ein äußerst feuchtes Bussi traf ihre Schläfe. Hurgx.
    »Danke, Schätzchen. Ick bin ein Berliner.« Nach diesen Worten schwirrte die Zeitungstante pfeifend ab, während Jule verstört in ihren Stuhl zurücksank und sich ihr Haar richtete.
    Grundgütiger, war die bedürftig. Wenn die bei jedem verkauften Blättchen so austickte, dann … Sekunde. Schlagartig wurde Jule schlecht. Mein Hunderter! Tja. Der sponserte nun Hamburgs Suppenküche. Tröste dich, Schweitzer. War für einen guten Zweck. Ja ja, schon klar, schön schön, aber … ey, Kacke! Nach diesem dusseligen Fauxpas war sie blank, komplett. Nicht mal ihren Kaffee konnte sie bezahlen und … Keine Panik, Schweitzer. Ewa kommt gleich. Hoffentlich. Ihr Kopfkino driftete in die Horrorabteilung. Botengänge für Alicja, verdammt, wenn Ewa etwas zustieß. Polnische Mafia. Pistole an den Kopf, Knebel in den Mund und plopp, wie ein Stein sank der Zwerg in sein Grab am Grund der Elbe. Blödsinn. Eher stolperte Ewa über einen Bordstein, schlug auf Beton, verlor das Gedächtnis und … Schweitzer, deine Rolle bei Liebes Leben tut dir nicht gut. Trotzdem zückte Jule voller Panik ihr iPhone und ließ es wieder sinken. Scheißdreck! Noch immer hatte sie keine Ewa Bogacz eingespeichert. Verdammt, verdammt, verdammt. Ein Albtraum. Ohne Bargeld blind in einer fremden Stadt zu sitzen, polenseelenallein und obendrein …
    »Schichtwechsel.« Der sprechende Schatten baute sich vor ihr auf. »Dürfte ich bei Ihnen abkassieren?«
    »Oh.« Jule wurde heiß, entsetzlich heiß. »Ehrlich gesagt ist das gerade etwas … un-ungünstig.«
    »Sie haben kein Geld?«
    »Doch! Natürlich. Aber hallo, Kamerad, hab ich Geld.« Sie schlug die Beine übereinander, fläzte sich in den Stuhl und befummelte obercool ihre Brille, als wollte sie ein besseres Bild von ihrem geparkten Rolls Royce einfangen. »Wissen Sie, es ist nur … es ist … äh … Sie nehmen Kreditkarten?«
    »Unter fünfzig Euro nicht. Nein.«
    »Oh. Ach so.« Jule schluckte. »Nur mal so Neugier: Wie viele Tortenstücke müsste ich denn bestellen, damit ich auf fünfzig …«
    Da-da-da und Halleluja, Jule riss es aus dem Stuhl. »Boar, meine Fresse, Fräulein!«, empfing sie fix und alle den Zwerg mit Gebrüll. »Damit eines klar ist, du zahlst auf der Stelle meinen Kaffee und gibst mir deine Handynummer. Oder ich raste aus.«
    »Geht’s noch?«, quietschte eine ihr unbekannte Frauenstimme als Antwort. »Immer diese Lesben hier.« Schimpfend zog dieser Zwerg weiter. Blond zwar, nur blöd, leider nicht die Bogacz.
    Entgeistert sank Jule zurück in den Stuhl und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Bitte, lieber Gott, schenk mir einen Herzinfarkt oder Hirnschlag oder Geldregen oder …
    »Sag mal, Jule, hast du dieses hässliche Muttchen eben ernsthaft angebaggert?« Ewa …
    Inniges Knuddeln und stumme Tränen, mehr war akut nicht drin. Jule klammerte sich an den Zwerg auf ihrem Schoß, schnupperte wie besessen Ewa-Meer-Duft fürs Gemüt und vernahm, wie Ewa beim Schatten für sie die Rechnung bezahlte. Alles gut, Schweitzer, krieg dich ein. So putzte sich Jule irgendwann die Nase und schloss Ewas Hände fest in ihre.
    »Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Ewa.
    »Süße, lass mich bitte nie wieder allein. Hörst du?«
    »Okay.« Ewa klang überrascht, doch schmatzte sie ihr ein Küsschen auf die Stirn. »Und das meinst du ernst?

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