Violett ist erst der Anfang
wo sollen wir denn hin?«
»Hotelzimmer.« Das Wort purzelte Jule einfach über die Lippen, und mal ehrlich, der Gedanke war genial. Eigenes Bett, fremdes Bett, bezahltes Bett, schnurz, Bett war Bett. Hätte sie früher drauf kommen können, verdammt.
»Auf gar keinen Fall!«, fuhr Ewa sie an und marschierte los, mit Jule stolpernd im Schlepptau.
»Süße …«, nahm Jule nach diversen Metern das Gespräch wieder auf. »Es muss ja keine Absteige sein. Ich hab eine Kreditkarte. Von mir aus mieten wir was im Adlon.«
»Das steht in Berlin.«
»Mir wurscht. Es geht ums Prinzip.«
»Mir auch, Jule. Hotel, das ist total billig. Ich hasse Hotels. Ich will mit dir in kein Hotel, ich verabscheue …«
»Ssscht, schon gut«, schritt Jule beruhigend ein. Du stures Ding, du. »Aber in der siffigen Rostlaube fummel ich nicht.«
»Der Golf steht am Hauptbahnhof, Jule, der ist ohnehin raus. Jeder Hans und Franz würde uns dabei zugucken.«
In Hamburg wohl eher Kunz und Hintz. Egal. »Wir könnten …« Angestrengt dachte Jule nach. »Wir könnten uns einen Leihwagen mieten. Mit getönten Scheiben und Sitzheizung. Dann düsen wir zur Elbe, parken idyllisch am Wasser und …«
»Kannst du knicken. Nie und nimmer kriegst du um diese Zeit am Hafen einen freien Parkplatz.«
»Boar.« Jule stöhnte auf. »Bleiben wir eben bei Sixt auf dem Gelände und verziehen uns in einen Sprinter mit fensterloser Ladefläche, um …«
»Sag mal.« Ewa blieb stehen. »Wie rollig und verzweifelt bist du denn gerade?«
»Mensch Süße«, maulte Jule. »Ich bin einfach unterknutscht.« Ist wie unterzuckert, nur viel schlimmer.
»Geht mir genauso.« Ewa seufzte. »Ohne Witz. Am liebsten würde ich sofort mit dir zurück nach Berlin fahren, ehrlich. Aber …«
»Du kannst deine besten Freunde nicht hängenlassen. Es wäre unhöflich, und außerdem stecken wir bereits mittendrin im Wahnsinn, deshalb ziehen wir das durch. Richtig?«
»Genau.«
»Verdammt, aber es muss in dieser dämlichen Drecksstadt doch irgendwo ein Fleckchen geben, wo wir wenigstens ungestört knutschen können, Herrgott«, fluchte Jule, so laut, dass ein paar Passanten erschrocken zurückschimpften. Ja sorry, ey, macht euch nicht nass. Mal wieder überfordert lehnte sie sich gegen die nächstbeste Wand, ne stopp, war irgendein Glaskasten mit Plakaten drin. Sie kniff die Augen zusammen, entzifferte Buchstaben und … Halleluja, na klar, das ist es!
Stürmisch zog sie Ewa hinter sich her. Hinein ins Foyer und irgendwohin. Sah nach Schalter aus. »Zweimal, die nächste Vorstellung.« Sie griff zur Geldbörse.
»Welcher Film?« Die Männerstimme klang verwirrt.
»Vollkommen schnuppe.«
»Also, äh, gut. In zehn Minuten läuft …«
»Perfekt. Letzte Reihe, Rand, bitteschön, dankeschön.« Mit einem breiten Grübchengrinsen beendete Jule die reduzierte Unterhaltung und rückte an ihrer Porno-Piloten-Brille. Sie reichte dem Schatten irgendeinen Schein hin, bekam klimpernd Münzen zurück und Karten.
»Nicht dein Ernst jetzt, oder?«, raunte Ewa hinter ihr.
»Kino ist großartig.« Dauerknutschen im Dunklen, yeah!
»Jule, du siehst nichts.«
»Egal.«
»Oh«, kam knapp von Ewa, die offenbar die Karten studierte. »Ist vielleicht auch besser. Dieser Streifen soll grottig sein. Hollywood-Kommerzkacke.«
»Interessiert mich nicht. Kino – Punkt. Im Saal ist es finster, ich hau mir Tropfen rein, meine Augen entspannen. Komm.«
Nur leider sträubte sich Ewa. »Ich muss noch mal wohin.«
»Toilette? Ich auch.«
»Popcorn.«
»Bitte?« Jule verrutschte die Tonlage. »Ey, wie kannst du in diesem Moment an diesen Maismist denken?«
»Äh … Kino? Hallo? Gehört dazu.«
»Heute wird geknutscht, nicht gefuttert.«
»Jule, du«, setzte Ewa an mit behutsamer Stimme. »Vielleicht sollten wir ein bisschen Druck aus der Sache nehmen? Du glühst ja jetzt schon.«
Jule stemmte sich die Arme in die Hüften. »Heißt das, du willst mich nicht mehr?«
»Doch. Natürlich schon, aber … warte, ich hol Popcorn.« Und oben drauf eine XL-Cola plus drei Schokoriegel, schnaubende Schweitzer hin oder her. Jule hakte sich bei Ewa unter und ließ sich führen, mit Zwischenstopp auf der Toilette und weiter Richtung Saal. Schien ein Kino vom alten Schlag zu sein. Roter Teppich veredelte die Stufen der Foyertreppe, die auch in jedes stilechte Opernhaus gepasst hätte. Laute Stimmen schallten ihnen entgegen. Kinder, viele Kinder, lärmender als bei einem Aktionstag von McDonalds mit
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