Violett ist nicht das Ende
irgendwas ist da noch, das spür ich doch. Du machst total dicht, ich …«
»Gar nichts ist da, Bogacz!«
»Jule, aber …«
»Ey, jetzt pass mal auf.« Jule schwang drohend den Zeigefinger. »Du wolltest die Wahrheit. Ich hab sie dir erzählt. Punkt. Meine letzte feste Beziehung ist vorbei, seit drei Jahren, wenn du es ganz genau wissen willst, Watson. Er ist gegangen, er hat sich getrennt für eine andere, die von ihm schwanger war. Glückwunsch! Er ist ein wundervoller Mann. Glaub es oder nicht, mir schnurz! Mit mir und unserem Leben war er nicht glücklich. Er hat sich für Firma, Haus und Familie entschieden, seine Familie, und es ist sein gutes Recht, denn ich mag keine Kinder, ich hasse Kinder, ich will keine Kinder mehr, aus, Schluss, Ende Gelände! Weiter jetzt und …«
»Jule, sieh mich an.«
»So, hab gedreht. Du bist dran mit Pflicht, also …«
»Sieh mich an.«
»Was denn?«
»Du warst mal schwanger, richtig?«
KAPITEL 9
Die Luft in der Limo schien dünn, mächtig dünn auf einmal, kaum zu ertragen. Am liebsten hätte Jule das Fenster aufgerissen oder besser gleich die Tür. Flucht. Weg, einfach nur weg. Ging nicht, hier im Luxusschlitten, noch immer in der Waschstraße. Ewas Frage schwebte unangenehm im Raum, schonungslos direkt. Nun half kein Schweigen mehr, auch kein Abwarten, kein Ablenken. Nur eine Antwort. Die Wahrheit … Jule schloss kurz die Augen, schluckte schwer, dann – nickte sie. Jetzt war es raus. Ewa sog hörbar die Luft ein.
»Jule, also hattest du … wann hattest du … wann ist …«
»15. Woche.«
»Fuck, so spät? Ich meine, da warst du ja schon fast im …«
»Vierter Monat.«
»Von ihm?«
»Ja.«
»Wer weiß davon?«
»Niemand.«
»Okay, verstehe.« Ewa nickte. »Nur er, deine Familie und …«
»Nicht mal die.«
»Nicht mal die? Aber warum denn nicht?«
»Ging nicht«, sagte Jule. »Ich meine, ich wollte … ich musste das erst einmal für mich … also … regeln, alles … damals. Ach, egal.« Sie winkte ab. »Nicht so wichtig.«
»Jule, erzähl’s mir.«
»Warum? Was willst du denn jetzt hören?«
»Alles.«
»Pfff, da gibt’s nicht viel, was …«
»Jule, erzähl mir die ganze Geschichte.«
»Ist aber echt schon eine Ecke her und eigentlich …«
»Keine Ausreden mehr, bitte.« Ewas Stimme war eindringlich.
Widerstand zwecklos. Karten auf den Tisch. Jule nahm noch einen Schluck aus ihrer Dose und drehte sie zwischen ihren Fingern. Wo anfangen? Wie ging die Kurzfassung?
»Ich mag keine Kinder.« Super, Schweitzer, du Lusche, werd konkret. »Das heißt, ich meine, ich wollte nie welche. Nenn mich karrieregeil oder … ach, keine Ahnung. Ein Baby passt nicht zu mir, finde ich. Aber ich wusste, na ja, dass …« Sie streifte sich eine Strähne hinters Ohr und beamte sich weg. Casting, irgendeine Rolle, irgendein Text, der nicht ihrer war und sie kalt ließ, bitte. »Er wollte Familie, schon immer. Also hab ich … ich hab … ich hab’s drauf angelegt, mal just for fun, einen Monat keine Pille. Und zack. Treffer. Scheiße. Ey, wer rechnet denn mit so was? Auf einmal war ich dann, und irgendwie dachte ich, Schicksal Schweitzer. Es soll so sein. Keine Bühne. Und hey, warum nicht? Er wünscht es sich. Ich krieg das schon irgendwie hin. Der hat sich so gefreut, echt irre. Ständig Blumen, und diese Hormone, ey, die machen dich total meschugge. Irgendwann freust du dich sogar selbst, verkneifst dir Kaffee und frisst Bio, blätterst in Ratgebern, und du kaufst diese verdammte Strampler-Schnuller-Spieluhr-Scheiße!« Die Dose in ihrer Hand knirschte.
»Jule …«
»Also marschierst du trächtig mal wieder in die Praxis, schmökerst lustig in der Gala, packst dich auf die Liege und strahlst den grauhaarigen Penner an. Der klickt da rum, auf diesem verfickten Ultraschallding und guckt saudumm. Sorry, Frau Schweitzer, heute kein Foto für Sie. Ist viel zu mini. Ich finde keinen Herzschlag. Blöd auch. Schwimmt da wohl schon ne ganze Weile tot rum. Aber hey, Glück gehabt. Ihr Teilchen da kriegen wir noch rausgeschabt, ohne dass Sie pressen müssen und …«
»Jule …«
»Kopf hoch. Das passiert oft beim ersten Mal, nehmen Sie’s sportlich, ja nicht persönlich. Sie sind noch unter dreißig, beim nächsten Anlauf klappt’s bestimmt mit dem selbstproduzierten Sonnenschein. Hier die Nummer einer Seelsorgertante, die hat Taschentücher. Familienbox. Und hier Ihr Termin für die Ausschabung. Die wäre dann gleich übermorgen um elf in der Klinik,
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