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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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der viel zu teuren Altbauwohnung. Ein Tag im Juni … »Als ich es ihm gesagt habe, hat er geweint. Er war fix und alle, das glaubst du gar nicht. Ich meine … Er steht da total zerknautscht im Anzug, voll geschlaucht vom Flug, und trotzdem strahlt er dich an. Stellt die Blumen ins Wasser, kocht deinen Lieblingstee, kaum, dass er überhaupt zur Tür rein ist. Dabei zieht er über Japan her, und wie sehr er sich auf zu Hause gefreut hat. Auf dich, auf das Kind, und dass er schon alles mit der Firma geregelt hat und die nächsten Monate nicht mehr weg muss. Und dann grätschst du da so rein mit der Info und dem rutscht alles aus dem Gesicht, alles, und die Tasse donnert runter und der sackt weg. Verschanzt sich hinter seinen Armen auf den Küchenfliesen, zittert und schluchzt, so laut, dass dir schlecht wird. Abgrundtief schlecht, ey, weil du noch nie einen Mann so hast heulen sehen. Blackout. Du stehst nur nutzlos rum und guckst aus dem Fenster, auf so einen beschissenen Kastanienbaum, die ganze Zeit. Und du kriegst es nicht mal hin, ihn in den Arm zu nehmen, obwohl er da leidet wie ein Hund, nachdem du sein Familienidyll plattgemacht hast.
    Aber irgendwann ist er aufgestanden und hat mich umarmt. Er mich! Jule, wir schaffen das, hat er gesagt. Strich drunter, kein Wort drüber, lass es uns vergessen. Beim nächsten Mal klappt es. Wir werden Eltern, wundervolle Eltern, eine kleine Familie und wir werden glücklich. Denn wir haben es verdient, Jule. Wir beide haben es verdient. Und ich habe genickt, dabei …«
    »Was?«
    »Ich …« Jule blickte über den Boden, über aufgerissene Chipstüten und Schokoladentafeln, während das Blut heiß in ihre Wangen schoss.
    »Jule, was?« Ewa ließ nicht locker. »Was ist passiert?«
    »Verdammt, ich hab wieder die Pille genommen.«
    »Du …«
    »Ja, Herrgott! Und er hat garantiert nach jedem Mal gehofft, hey, vielleicht jetzt, bitte sei doch endlich wieder schwanger. Er wollte Kinder. Er hat gedacht, dass wir es versuchen. Nur hab ich mir jeden Abend dieses Dreckskügelchen eingeworfen und feige geschluckt, hinter seinem Rücken, und ich hab ihn angelächelt, falsch bis zum Rand, weil … weil ich …« Tränen vernebelten ihr die Augen und ihre Finger krampften sich zur Faust. »Weil ich mir geschworen habe, diese gottverdammte Scheiße nie, niemals wieder durchzumachen.«
    »Okay, verstehe.« Ewa nickte.
    »Gar nichts verstehst du!« Niemand konnte das verstehen, einfach so. »Ey, das war einer von den Guten. Seine ganze Kohle hat er ins Haus gesteckt, in unser Haus, mit zwei leeren Räumen direkt neben dem Schlafzimmer. Die Kinderbetten haben schon drin gestanden. Deshalb ist es sein beschissenes Recht, sich eine Sabine zu suchen, für seinen Constantin und für seine Charlotte. Denn ich schwöre dir, er ist ein Daddy, den man braucht da draußen. Der Kindern noch was bieten kann, Geld, Halt und Herz. Selbst mich hat er auf Händen getragen, obwohl ich ihn gelinkt habe. Ich hab ihm Reisen aufgequatscht, damit wir rauskommen, endlich rauskommen aus diesem Familiendreck. Dabei hat er ständig gefragt, wann ich endlich zu ihm ziehe und meine Karriere an den Nagel hänge. Nur hatte ich das nie vor. Niemals! Ich wollte kein Kind, ich wollte ihn nie mehr so sehen, so hoffend und heulend, in dieser Reihenfolge – wegen mir, wegen irgendwas, das ich vielleicht nie hinkriege. Und weil ich wollte, dass …«
    »Dass er dich liebt«, sagte ganz sanft Ewa und brachte Jule aus dem Tritt.
    »Ich … dass …« Sie brach ab und starrte auf die Hand, die sich warm auf ihre Finger legte.
    »Du wolltest, dass er dich liebt, so wie du bist. Unabhängig davon, ob ihr nun Eltern werdet oder nicht. Und du hast gehofft, dass er sich bei der Frage ›Jule oder Kind‹ klar für dich entscheidet, wenn es irgendwann darauf ankommt.«
    »Ich …«
    »Jule, du hattest eine Scheißangst, ihn zu verlieren nach der Geschichte. Letztendlich hat er seine Wahl getroffen, für sein Spießerleben und gegen dich, weil du in diese Schublade nicht reinpasst. Das ist gut so. Du wärst eingegangen in so einem Häuschen. Er war nicht der Richtige. Für dich, für deine Träume war er nicht richtig, obwohl du es dir gewünscht hast. Und wie sein Wechsel in die Buchhaltung ablief, das war mies. Du musst ihn also weder decken noch schützen und schon gar nicht verteidigen. Du bist ihm nichts schuldig, hörst du? Gar nichts.«
    »Aber ich …«
    »Du hättest mit offenen Karten spielen sollen – ja. Das weißt du

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