Violett ist nicht das Ende
selbst. Dann hättest du nämlich auch viel früher gemerkt, dass der ach so nette Teekocher da keinen Arsch in der Hose hat. Als dein Partner hätte er merken müssen, wie dreckig es dir ging nach dieser Schwangerschaft. Aber statt dich aufzufangen, wollte er dir einfach das nächste Kind andrehen. Das, das geht gar nicht. Du hättest das nicht gepackt, nicht nach der Kiste. Diese Verhütungsnummer fällt unter Selbstschutz.«
Jule hob den Kopf. »Du denkst … nicht schlecht über mich?«
»Ganz ehrlich?« Einen Moment fixierte Ewa die Limodecke. »Ich könnte schreien gerade. Dass du dich so lange an eine Liebe geklammert hast, die es nicht wert war. Dieser Typ hat sich verpisst nach fast sieben Jahren. Er hat dich alleine gelassen mit der Angst, mit deinem Verlust, den ihr gemeinsam hättet anpacken müssen und nicht totschweigen. Und du? Hast alles still in dich reingefressen, bis du geglaubt hast, du verdienst es nicht besser. Kein Verständnis, keine Treue und mit dir ist irgendwas verkehrt, weil du keine Mutter sein willst. Das macht mich wütend bis zum Rand.«
»Ewa, aber du magst … Kinder. Und ich will nicht … ich kann … das nicht … ich meine, ich …«
»Ich liebe Kinder und ich wäre gerne Mama, irgendwann.«
Eine klare Ansage ohne Zögern und der Kloß in Jules Hals schwoll auf Backsteingröße. Sie hatte es geahnt, gespürt, bereits während des Wortgefechts mit der Polizei. In diesem Punkt hatten sie beide einfach keine Zukunft. »Dann bin ich die Falsche für dich«, sagte Jule leise und blinzelte gegen die nächste Tränenwelle an.
»Jule …« Ewas Finger drückten sanft ihre Hand. »Ich stelle es mir schön vor. In meiner Fantasie, mehr nicht.«
»Aber wenn du es dir wünschst, wird es dir fehlen und …«
»Du wirst mir fehlen, Jule – du«, sagte Ewa. »Denn du bist Realität, jetzt in meinem Leben und hier geht es erst einmal nur um uns. Um dich und mich, unsere Beziehung. Wir beide müssen unseren Weg finden, unseren, verstehst du? Mit dem wir zusammen glücklich werden und da gibt keine Schubladen. Und ich werde dir nie, niemals irgendeine Rolle aufdrängen, die du nicht spielen willst, das schwör ich dir. Ich erwarte nichts von dir, Jule, gar nichts. Schon gar kein Kind.«
»Aber …«
»Nix aber, Jule. Hör mir zu.« Ewas Hand legte sich unter Jules Kinn und drehte ihren Kopf, bis sich ihre Blicke trafen. »Ich kann leicht von Kindern reden. Ich war noch nie schwanger. Aber du, du warst es und von uns beiden weißt nur du, wie es sich anfühlt, ein Kind zu verlieren. Du und zig Millionen Frauen da draußen, denn es kann jeder passieren und vielen passiert es, sehr vielen, vor allem beim ersten Mal. Das steht überall, das weiß jeder, es ist normal und trotzdem nicht, weil sich so was einfach nicht normal anfühlen kann. Und diese beschissene Erfahrung kann dir leider niemand mehr nehmen. Und deine Angst, die verstehe ich. Ich verstehe dich, Jule. Diese Geschichte ist ein Teil von dir und wir sind jetzt ein Paar, wir sind Partner, also werden wir das auf die Reihe kriegen. Wir zusammen, kapiert?«
»Ewa, aber …« Jule senkte den Blick. »Ich weiß nicht … wie.«
»Rede darüber.«
»Gott, das ist alles schon so lange her und … ich … trotzdem … ich …«
»Und trotzdem schleppst du immer noch die Bilder mit dir rum. Mensch, Jule, du bist da überhaupt nicht drüber weg.«
»Was soll ich denn tun, damit …«
»Lass es endlich an dich ran.«
»Ich kann das nicht!« Durch Jules Venen schien kein Blut mehr zu pumpen, sondern Blei, und alle Kraft wich aus ihr, von Atemzug zu Atemzug mehr. Hilfesuchend fixierte sie die wärmenden Knopfaugen. »Ich meine, ich weiß nicht, wie … wie ich …« Sie rang nach Luft. »Ewa, ich wollte nie … und es fühlt sich so … fremd an, alles, die ganze Sache, dass es da irgendwas … in mir … gab … irgendwas, das dann einfach so … wieder weg war. Irgendwas von mir. Ich weiß nicht, wie ich damit … umgehen soll.«
»Zeig noch mal her.«
»Was?«
»Die superschicken Staraufnahmen von deinem Sternchen.«
Zögerlich reichte Jule Ewa die Ultraschallbilder, die sie mit konzentrierter Miene betrachtete.
»Hm. Tja. Puh.« Ewa kratzte sich am Kinn. »Also, diese Schatten da sind die Beine, klar. Wenn das der Kopf ist und hier so die Nase, was meinst du, ist das da … das Auge?«
Jule zuckte die Schultern. »Weiß nicht.«
»Auge, hundertpro. Wäre das Bild nicht schwarz-weiß, würde ich sagen,
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