Violett ist nicht das Ende
nichts genützt. Falsche Frisur, die Rapunzel.
»Ich will nur dich, Jule.«
»Sobald du dich neu verliebst, bin ich abgemeldet.«
Ewa lehnte den Kopf an den Kühlschrank und schien nachzudenken. »Schicksal ist Scheiße«, lautete ihr zerknirschtes Fazit.
»Gott, Süße, halt mich für verkorkst, aber … ich hab Schiss. Schiss bis obenhin. Noch einmal wegen einer anderen verlassen zu werden, pack ich einfach nicht. Ich …«
»Ssscht. Komm her …«
Ein liebevolle Umarmung, und Jule spürte schon wieder aufsteigende Tränen. An diesem Tag mutierte sie zur Heulboje. Aber es ging nicht anders. Sie war … der Titanic-Käptn, dem vor der Katastrophe jemand das Unheil gepetzt hatte. Schipper wie du willst, aber sobald ein Eisberg kommt, wirst du versenkt. Kacke. Denn genau vor ihnen tat sich ein Eisberg auf, in diesem Moment, eine Königin der Münzen. Nahmen die Dinge ihren Lauf oder konnten sie das Unvermeidliche noch verhindern? Sie klammerte sich so innig an Ewa als gäbe es kein Morgen mehr.
»Ich hab so eine Scheißangst gerade«, flüsterte Jule. »Ich will dich nicht verlieren.«
»Verstehe.« Ewa löste sich, goss die Gläser erneut voll und verteilte Zitronen.
Tequila, Runde drei. Puh. Perspektivisch war Jule nach Kotzen zumute. Schubrrr, Schnaps, Wodka, Dosenprosecco, Bier, Tequi-ach-schnurz, schwubberig machte sie allein das Schicksal. Sie massierte sich die Schläfen und gegen das Pochen in ihrem Schädel an. Ruhe bewahren. Keine Panik auf der Titanic. Irgendwo gab es ein Rettungsboot, sie mussten es nur schleunigst ansteuern.
»Bäh«, kam von Ewa und sie pulte sich Zitronenfussel von der Zunge. »Also gut. Was schlägst du vor?«
Jule hob die Schultern. »Wenn diese Münztante dein Schicksal ist …« Sie bemühte sich um sinnige Gedanken. »Dann müssen wir dem Schicksal irgendwie klar machen, dass wir es so nicht akzeptieren.«
»Gefällt mir. Wie gehen wir vor?«
»Diese Trulla kriegt paar aufs Maul.«
»Jule!« Ewa hielt sie am Arm zurück.
»Hast du eine bessere Idee?«
Ewa schüttelte den Kopf.
»Ich regel das.« Entschlossen hievte sich Jule in die Senkrechte. Hui, sie stützte sich am Tresen ab. Mensch-Mensch, dieses Vitamin C in den Zitrusfrüchten knallte aber auch, mein lieber Scholli. Egal. Darauf konnte sie nun keine Rücksicht nehmen.
»Warte.« Ewa hangelte sich an ihrem Hosenbein empor und krallte sich in Jules Jacke. »Ich komm mit.«
»Vergiss es, Fräulein. Du bleibst meiner Konkurrenz fern.«
»Aber es geht um unsere Zukunft. Wir klären das zusammen.«
Gut. Der grobe Plan stand. Entschlossen rempelten sie sich durch die Menge und stoppten bei einem runden Tisch links von der Bühne. Offenbar ging dort gerade ein Table Dance zu Ende. Ein Busenwunder mit dunklem Pferdeschwanz raffte Dollar zusammen und zog samt Flagge vor der Schrittpartie unter erfreuten Pfiffen ab. Die Jungs schienen im Paradies. Chillig lümmelten sie in den wuchtigen Ledersitzen, und vor jedem stand ein Pitcher Bier. Jule kniff angestrengt die Augen zusammen und blinzelte um Sehschärfe. Es war aber auch verdammt schummrig hier. Piotr schielte angeschossen, das war unschwer zu erkennen. Krysztof mit aufgeknöpftem Karohemd grinste dauergeil, und Jakub züngelte eine Frau in seinen Armen ins Polster. Jule schluckte. Gut sah die aus, verflucht gut. Gelockte Mähne mit geheimnisvoll schimmerndem Rot-Stich. Ein tief ausgeschnittenes Pailletten-Oberteil in Schwarz hing ihr verrutscht über die braungebrannte Schulter. In einer weißen Röhrenjeans stecken ihre schlanken Beine. Sehr lange schlanke Beine. Tja. Und nun? Grundsätzlich war Prügeln Mist und überhaupt nicht Jules Stil. Aber hier ging es um Großes. Um Ewa. Also los. Jule straffte die Schultern, näherte sich todesmutig Ewas Zukunft und stubste sie ruppig von hinten an. Die Knutscherei wurde unterbrochen und die rothaarige Hexe drehte sich um.
»Verpiss dich, Sabine!«, blaffte Jule sie an.
»Äh, ich heiße Olivia.«
Ach Kacke, falscher Text. Egal. Jule rückte an ihrer Brille. »Aber du bist Königin der Münzen, also verzieh dich. Oder ich kick dich aus deinen Pumps, Puppe.«
»Jule, geht’s dir gut?« Jakub klang besorgt.
»Halt dich raus.« Jule schnaubte. »Frauengespräch.«
»Aber du machst hier gerade Olivia an.«
»Richtig. Und wenn ich mit der fertig bin, taugt die höchstens noch als Bettvorleger.«
»Wer ist diese Person?« Olivia kratzte sich am Kopf und schaut zu Jakub. »Deine Ex?«
Schlimmer, Flittchen. Viiieeel
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