Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
Vom Netzwerk:
knigge-mäßig garantiert unhöflich ist. Nur kam unser 24. Dezember extrem überraschend und mir ist keine Zeit geblieben, um …«
    »Gib her.«
    »Bitte nicht enttäuscht sein, okay? Versprich es. Sieh es als Geste. Mit Steigerungspotenzial. Wir sind ja erst frisch zusammen. Trotzdem musste ich vorhin sofort an dich denken bei diesem Ding. Wobei ich streng genommen befürchte, dass es eher mein nostalgisches Lieblingsgeschenk ist und nur ich es super finde, während du vielleicht denkst, dass …«
    »Rück es endlich raus.«
    »Hier.« Jule überreichte die Dose, kurz und hoffentlich schmerzlos. »Ich-ich … kann es nicht erklären, aber ich lieb die irgendwie total. Immer schon«, gestand sie kleinlaut und fieberte der Reaktion entgegen. Schweigen. Ein kurzes Glucksen von Ewa. Oh Mist. »Süße, was hältst du davon, wenn ich dich zeitnah einlade in ein Restaurant, wo wir …«
    »Das hab ich seit Jahren nicht mehr gemacht.« Nach einem stürmischen Kuss schraubte Ewa am Deckel. »Geiles Zeug.«
    Puuust. Schon schwebten Seifenblasen durch den Raum und um den Baum, eine schillernder als die andere. Sogar der Kleine hopste vergnügt und kläffte wie ein Irrer. Arme Nachbarn. Egal. Vernunft blockierte nur, wenn man sich wieder fünf fühlen wollte. Immer mehr Blasen schickte Ewa in die Luft und grinste dabei bis zum Anschlag.
    »Jetzt fangen, Jule?«
    »Erst Zimmer vollblubbern, ja? Schau.« Jule schnellte hoch, riss den Ring an sich und blies Blasenspur um Spur, unter vollem Körpereinsatz. Halb Pirouette, halb Tai Chi-Verrenkung, irgendwas tanzte sie da eben zusammen wie im Rausch. Überall flogen schimmernden Kugeln, und Jule konnte sich nicht sattsehen. Dieser Zauber ließ sich nicht ergründen. Es gab ihn einfach, seit jeher, als strömte Meer durch den Himmel. Frei und schwerelos. Verrückt. Ihr Blick ging zu Ewa. Die drehte sich um die eigene Achse mit ausgebreiteten Armen und ließ Blasen auf sich regnen wie die ersten, sehnsüchtig erwarteten Schneeflocken des Jahres. Es war ein Bild, das Jule ganz tief in sich aufsog. Ewa im Glück. Ihre Ewa …
    Irgendwann fanden sie sich auf dem Boden wieder, außer Puste nach ihrem Freudentanz. Wer nun mehr strahlte, der Christbaum oder sie? Schwierige Frage. Ewa tastete nach ihrer Hand und drückte sie sanft.
    »Danke, Jule.«
    »Gern geschehen.«
    Ewa stützte sich auf. »Bereit für dein Geschenk?«
    »Heißt das, ich bekomme auch … Her damit. Auf der Stelle.«
    Grinsend huschte Ewa in den Flur und kehrte zurück mit … Puh. Joar. Irgendwie fehlten Jule die Worte und ihr Hirn rotierte wie in einer Partie ›Tabu‹. War es überhaupt möglich, den Begriff ›Schrott‹ zu umschreiben? Obendrein noch sensibel?
    »Oh.« Sie richtete sich auf und drehte das Präsent in den Fingern. Ein nadelloser Zweig. »Der ist … äh, sssch-sag mal, hast du den vom WG-Baum abgebrochen?«
    »Schlimm?«
    »Äh … ne.« Schlimm traf es nicht. Zu schwammig, dieser Begriff. Was zum Geier sollte Jule damit? Durfte sie das ganz dezent fragen, oder killte es gnadenlos die Stimmung? Spiel auf Zeit, Schweitzer. Vielleicht wird noch ein Gutschein draus. – Wofür? Für ein Liebeswochenende im Wald, in einer Bruchbude im Gestrüpp? »Tja. Aha. Also … Mensch du, das ist schon … äh, originell jetzt. Definitiv eine Überraschung, die ich so nicht erwartet …«
    »Überspring das Theater, Jule. Lies das Schild.«
    Wie, was, wo? Jule rückte an ihrer Brille. Ach so. Um ein dürres Ästchen war ein zerknautschtes Post-it gewickelt. Jule löste es ab und … musste lächeln. Gott, wie süß war das denn bitte? Immer wieder las sie die Zeilen. Gepfiffen auf Waldromantik. Dieser Geistesblitz war so viel besser und heißer. Verzauberter Mistelzweig. Benutz mich. Wann immer du willst.
    »Bedeutet das …« Jule fuhr sich schnell über die Lippen. »Wenn ich den jetzt über mich halte, küsst du mich?«
    »Probier es aus«, säuselte Ewa.
    Ja wow. Unter diesem Gesichtspunkt mutierte der windige Tannenkrüppel zur Wunderwaffe, die einen Ehrenplatz verdiente. Über dem Bett? Festgeklemmt an Hut oder Haarspange, damit er immerwährend über ihren Lippen schwebte? Tolle Idee. Jule legte sich zurück in Position, schloss die Augen, hisste mit Engelsfanfaren im Ohr den Zweig, hach, diese Zunge, die ihr einmal quer übers Gesicht … äh …
    »Zostaw!«, rüffelte Ewa, ehe sie den Kleinen am Halsband von Jule und aus dem Raum zog. Rausschmiss. Recht so.
    »Boah, bäh.« Jule wischte sich die Wangen

Weitere Kostenlose Bücher