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Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Aktionen im Rampenlicht. Finde den Flow, hau sie alle weg mit deiner Stimme, rock das Ding. In Windeseile verteilte Jule Teelichter, zündete Kerze um Kerze an und obendrein noch ein Räucherstäbchen. Sandelholz. Weiß der Geiger, in welcher geistigen Umnachtung sie die mal geshoppt hatte und wie lange die Dinger schon Staub ansetzten, unbenutzt im Couchtischfach. Mit zitternden Fingern steckte sie die Lichterkette ein, eilte zum Schalter neben der Tür und knipste die Deckenlampe aus. Sie schluckte. Ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Es war magisch. Flackernde Flammen zeichneten geheimnisvolle Schatten an die Decke. Der Baum erfüllte den Raum mit warmem Glanz wie ein kostbares Kunstwerk, das alle Blicke auf sich zog. Schimmernde Sterne in Gold, schillerndes Lametta und dazu der süße Duft von … oh, schmorenden Marshmallows. Schnell korrigierte Jule die Lage der Girlande und brachte sie außer Röstweite der Lichterkette. Dann hielt sie eine Wunderkerze aus dem Fanpostkarton in ein Teelicht. Zisch, es brizzelte los und wilde Funken schossen umher.
    »Dingdingbimmelriding«, improvisierte Jule lauthals ein bimmelndes Glöckchen. Klang mehr nach Fahrradklingel, aber schnurz.
    Langsam schwang die Tür auf. Jule hielt die Luft an. Ewa … Wie versteinert verharrte sie auf der Schwelle. Die Wangen rot, der Mund halb offen, während ihre Knopfaugen im Lichtermeer wie blöde funkelten. Jules Herz schlug bis zum Hals. Vorsichtig lugte der Kleine ins Zimmer und kommentierte die Szene mit eifrigem Schwanzgewedel. Wahrhaftig. Ein magischer Moment. Friedlich, ruhig, und Jule hätte platzen können vor Stolz. Ein leises Summen legte sich auf ihre Lippen. Ewas Mundwinkel zuckten und stachelten Jule an.
    »Stille Nacht«, schmetterte sie los, mit Schmalz hoch hundert auf den Sopranstimmbändern. »Heilige Nacht. Alles schläft, zweisam wacht, Ewa und Jule, damit Kindelein lacht. Nix war’s mit himmlischer Ruh-hu, nix war’s mit … oh, Mist. Schon futsch. Süße, normale Wunderkerzen sind aber auch Verarsche, findest du nicht? Jetzt check ich endlich, warum die Küchenstatisten in den Traumschiff-Folgen diese Mörderstäbe in ihren Eisbomben haben, die garantiert länger …«
    »Jule«, kam es im Flüsterton.
    »Äh, ja?« Jule löste ihre Aufmerksamkeit von dem glimmenden Stängel in ihren Fingern. »Was ist? Fehlt was?«
    »Ich … ich muss mich mal kurz …« Die Farbe wich aus Ewas Gesicht.
    »Setzen? Oh Gott. Ist dir schlecht?« Verdammt, das Räucherstäbchen. Fail! Jule fegte ruppig die Päckchen vom Schlitten, schubste ihn hinter Ewa und zwang sie in die Knie. »Alles gut, Süße, alles gut. Tut mir leid. War reine Nostalgie. Zuhause mieft es bei uns an Heiligabend immer nach Rosenweihrauch und ich dachte, Sandelholz wäre … Sorry. Ich lüfte und hol dir Wasser oder Wodka und …«
    »Hiergeblieben.« Ewas Finger umschlossen ihr Handgelenk und zogen Jule auf den Schlitten. Sitz, Platz, Schnauze. Schön grundsätzlich.
    »O-Oh-Okay. Demnach kotzt du nicht?«
    »Jule …« Ewas Stimme klang butterweich, als sie Jules Hände in ihre nahm. »Wir haben es wirklich geschafft.«
    Verdammte Axt. Tatsächlich. Wie eine Glühbirne plingte in Jule Ewas Erkenntnis auf und weckte Fangesänge. Eine wüste Kreuzung aus ›We are the champions‹ und ›Oh du fröhliche‹ mit ›Lasst uns froh und munter sein‹. Nach Stunden in einer gefühlten Achterbahn rückwärts steckten sie mitten in einem Happyend und hockten chillig auf einem Schlitten vor einem geschmückten Christbaum. Unglaublich. Fehlte nur noch …
    »Bescherung?« Jule knuffte Ewa in die Seite. »Oder willst du dein Geschenk später?«
    »Du-du hast …«, stammelte Ewa. »Ich bekomme was von dir?«
    »Logisch. Allerdings nur eine Kleinigkeit, die …«
    »Her damit.«
    »Die nicht verpackt ist«, redete Jule weiter. »Sorry. Augen zu.«
    Ewa gehorchte, rutschte hibbelig auf dem Lattensitz herum und präsentierte dabei ihre Handflächen. Jule nestelte in ihrer Hosentasche. Ihr Puls beschleunigte sich. Lampenfieber, die nächste. Hatte sie die richtige Wahl getroffen? Oder sollte sie die Anmoderation ad hoc noch ändern in … in … eine Einladung ins Restaurant? Essen war bei der dauerhungrigen Ewa immer Trumpf, nur würde ihr die Gutscheintaktik nicht gefallen. Ach verdammt. Den Luschen-Stempel wollte Jule auf gar keinen Fall.
    »Okay, Süße.« Sie räusperte sich. »Es ist wirklich nichts Dolles. Im Grunde schenke ich es lediglich weiter. Was

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