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Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Polen. Heilige Scheiße noch mal. War doch klar, dass ihr die Zeit vervögelt, Schweitzer. – Schnauze. Jetzt bitte keine interne Moralpredigt. Lüstern hatten sie diesen heiklen Moment in Kauf genommen. Gäste da, Gastgeberpaar nackt. Jajaja. Und? Jule bereute keine Sekunde mit Ewa. Nun mussten sie Nerven bewahren. Leicht gesagt. Fluchend hüpfte Ewa gerade in ihre verdrehte Jeans, geriet aus dem Gleichgewicht und kippte auf die Couch. Oder daneben, keine Ahnung, ohne Sehhilfe war Jules Welt in einen verdammt fiesen Nebel gehüllt.
    »Ewa, siehst du meine Brille?«
    »Baum. Links. Irgendwo, glaub ich.«
    Besten Dank. Zum Navi taugst du null, Bogacz. Auf allen vieren tastete sich Jule über den Boden. Wie sie es hasste. In solchen Situationen suchten Kurzsichtige ihre Würde gleich mit. Splitternackt über einen Teppich zu robben war … ui. Ein Geschenk. Nun gut, sammelte sie den Päckchenkram eben parallel mit auf.
    »Wo zum Teufel ist mein BH abgeblieben?«
    »Fräulein, das fragst du mich jetzt nicht im Ernst.« Jule kroch weiter.
    »Ey, wie blind kann man eigentlich sein?!«
    »Bogacz!« Erbost schleuderte Jule das Päckchen, theoretisch Richtung Stimme, praktisch mit Sicherheit weit daneben.
    »Menschenskind, hier, links eben.« Mit großem Schritt stieg Ewa über sie hinweg und schwupp, drückte sie Jule das Gestell aufs Auge. Äh, davor natürlich. Welch ein Service. »Bitte.«
    »Danke.«
    »Tschuldigung.« Ewa senkte den Blick. »Ich wollte dich nicht anfahren. Es tut mir leid. Aber nun gib endlich Stoff. Dalli!«
    »Heyheyhey.« Kaum in der Senkrechten schlang Jule die Arme um Ewas Hals und drehte sie zu sich um. »Keine Panik, verstanden? Durchschnaufen. Wir kommen frisch von Wolke Sieben und es war toll dort, oder?«
    »Und wie.« Ein Lächeln umspielte Ewas Mundwinkel, als sie kurz die Augen schloss.
    »Gut. Dann bleib gefälligst geschmeidig.«
    »Aber die anderen warten.«
    »Na und? Wäre fies im Dezember mit Bodenfrost, zugegeben. Aber im Mai überleben die da draußen das locker und als gute Freunde verstehen sie uns. Ewa, wir sind verliebt.«
    »Du hast ja Recht.« Ewa legte ihre Stirn gegen Jules.
    »Brav. Unsere Wohnung, unser Tempo. Wir öffnen, sobald wir bereit sind. Keine Sekunde eher«, sagte Jule entschieden und hauchte Ewa ein Küsschen auf die Nasenspitze. »Und somit: Guten Morgen, Süße.«
    »Guten Morgen.« Grinsend schmuste Ewa zurück.
    Na bitte, so ging der Tag eindeutig erfreulicher los. Ganz harmonisch und friedlich, mit bellendem Hund und polnischem Gebrabbel, das …
    »Ewa? Jule?«, rief eine überaus vertraute Stimme im Flur der Wohnung, maximal drei Meter entfernt.
    Schock. Herzstillstand. Atemnot. Albtraum. Jule fror ein. Nichts ergab Sinn, allein der Gedanke: Oh mein Gott! Zum Glück hatte Robin Batman. Blitzartig hechtete Ewa los und klemmte einen Esstischstuhl unter die Türklinke.
    »Bleibt, wo ihr seid«, brüllte Ewa. »Bescherungssperrgebiet.«
    »Alles klar. Lasst euch Zeit«, kam fröhlich zurück. »Und falls du deinen BH suchst, Ewa, der hängt an der Baumspitze.«
    »Weg vom Schlüsselloch, Alicja!«
    »Wir warten in der Küche.«
    Kein Witz. Kein Traum. Es war tatsächlich Alicja, Ewas beste Freundin aus Hamburg. Oh mein Gott! Ein geschockter Gedanke in Dauerschleife, mehr war einfach nicht drin. Im Rekordtempo schlüpften sie in ihre Klamotten, pusteten die Kerzen aus und stapelten alle Päckchen wieder auf den Schlitten. Konnten sie wenigstens noch kurz ins Bad, um … Da nahm Ewa schon ihre Hand und schleppte Jule ab. Direkter Kurs auf die Küche und zur unerwarteten Bescherung. Ewa riss die Tür auf.
    »Wie kommt ihr hier rein ohne Schlüssel, verdammt?«, polterte sie los.
    Für einen Moment hielten alle inne. Am Küchentisch saß Natalia, wie immer ein Blickfang mit offener blonder Mähne und makellosem Make-up, als müsste sie gleich zur Arbeit und im Dollhouse einen Strip an der Stange hinlegen. Nur ihr Outfit passte nicht ins Bild, so ungewohnt unverrucht. Natalias äußerst heiße Kurven steckten in einem schlabberigen Shirt und schnöden Jeans. Alicja sah dagegen aus wie eh und je, ganz die resolute Gutemine aus den Asterix-Comics. Zwei Zöpfe schmiegten sich akkurat geflochten an das etwas knubbelige Gesicht. Ein Rüschenblüschen spannte über den ausladenden Doppel-D-Körbchen. Nur ihr Teint hatte sich gewandelt, die sonst rotschimmrige Blässe war zarter Bräune gewichen. Entspannt lehnte Alicja neben der Kaffeemaschine an der Anrichte,

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