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Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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bewaffnet mit einer Tasse. Tja. Zwei Frauen, kein Kind. Jule verstand die Welt nicht mehr.
    »Wie wir hier reinkommen? Ernstgemeinte Frage?« Alicja hob eine Augenbraue. »Ewa, nenn mir irgendwas, das Krysztof nicht aufkriegt.«
    »Aber …« Ewa setzte an zum Protest, brach jedoch ab. »Fort Knox. Vermutlich.«
    »Und hin und wieder scheitert er am Gurkenglas«, sagte Natalia glucksend und naschte ein Butterplätzchen. »Oh. Lecker. Dein Rezept, Ewa?«
    »Aber …« Nächster Anlauf von Ewa. »Ihr könnt doch nicht einfach …«
    »Hör mal«, ging Alicja dazwischen. »Wir haben mehrmals geklingelt. Ihr habt nicht geöffnet. Wir waren beunruhigt. Krysztof hat seine Kreditkarte mit und kennt solche Schlösser. Ende der Geschichte. Lasst euch ansehen.« Sie stellte die Tasse ab und musterte sie von oben bis unten, mit zunehmendem Grinsen. »Entzückend. Restlos fertig, aber glücklich. Setzt euch. Kaffee?« Ohne eine Antwort abzuwarten, hantierte sie los, ließ die Maschine röcheln und zack, standen auch schon zwei gefüllte Becher auf dem Tisch.
    Bei so viel geballtem Aktionismus explodierte Jule schier der Schädel. Ihr fehlte Schlaf. Ihr fehlte der Durchblick. Mehr symbolisch rückte sie an ihrer Brille und sank matt auf einen Stuhl. Erfahrungsgemäß halfen bei einem Zusammenstoß mit Naturgewalt Alicja irgendwie nur zwei Dinge: tollkühne Konter oder weise Kapitulation. Jule wählte Kaffee. Der roch göttlich und er schmeckte auch so. Hach ja. Begossen mit Koffein entfalteten sich Jules Lebensgeister blütengleich und schlagartig.
    »Dann erzählt mal.« Alicja rieb sich die Hände. »Hattet ihr gerade noch Sex? War’s gut? Klappt alles?«
    Plopp, Geistblütenblätter wieder zu. Alicjas ungenierte Neugier hielt man schon ausgeschlafen kaum aus. Herr, mach mich taub oder das Tratschweib stumm. Amen.
    »Wir kommen klar. Misch dich nicht ein«, antwortete Ewa ebenfalls not amused und fütterte ihre Nerven mit drei Plätzchen auf einmal. »Themenwechsel.«
    »Gern.« Alicja strahlte. »Danke der Nachfrage. Unser Liebesleben läuft prächtig. Gleich nach unserer Ankunft im Hotel hat Piotr mich unter der Dusche …«
    Ewa hob die Hand. »Wo ist Paulina?«
    »Sie spaziert mit meinem Krysztof und deinem Kleinen um den Block«, klärte Natalia sie auf.
    »Wie du siehst, es ist alles geregelt«, sagte Alicja. »Dein Hund macht sein Häufchen, Paulina hibbelt uns nicht um die Füße und Krysztof … dem schadet laufen auch nicht. Mein Piotr lädt das Auto aus und …«
    »Piotr ist auch dabei?« Ewa klang so überrascht, wie Jule sich fühlte. »Wieso seid ihr nicht mehr in den Flitterwochen?«
    »Seit gestern Nacht zurück.«
    »Und dann düst ihr gleich hierher?«
    »Wir lassen uns doch nicht Weihnachten entgehen.« Alicja stöberte sich hemmungslos durch die Schränke. »Nette Wohnung. Hübsch eingerichtet. Besonders euer Schlafzimmer gefällt mir. Jules Flügel ist natürlich auch beeindruckend. Teller?«
    »Unten rechts«, sagte Jule automatisch, degradiert zum Gast in den eigenen vier Wänden. Unfassbar und typisch zugleich, wenn die Polenqueen das Geschehen bestimmte. Alicja war zweifellos der Sonderfall der Sonderfälle, eine fleischgewordene Kreuzung aus Hölle und Himmel. Denn irgendwie tat es gut, sie zu sehen. »Lass. Im Wohnzimmer ist gedeckt, Alicja. Also, so halb. Nur für sechs. Wir konnten ja nicht wissen, dass … Und ich hab gar nicht so viele Tischsets, die …«
    »Kein Problem, Liebes.« Alicja winkte ab. »Bei der nächsten Gelegenheit schenke ich dir welche. Zur Hochzeit? Habt ihr schon einen Termin im Blick?«
    »Quatsch uns keinen Ring an den Finger.« Ewa verdrehte die Augen. »Wir sind erst achtundzwanzig Tage zusammen.«
    »Aber Jule hat den Brautstrauß gefangen.«
    »Ich habe – was?« Jule spuckte und schluckte Kaffee, irgendwie beides gleichzeitig, was nicht gutging. Röchelnd fasste sie sich an die Kehle, während Tränen ihre Augen fluteten. Parallel fahndeten Gehirnzellen nach Erinnerungsfetzen. Ergebnis: Nada, kein Mitschnitt. Oh Gott!
    »Ssscht.« Ewa klopfte ihr den Rücken. »Alles gut. Da war kein Strauß.« Ihr Blick heftete sich drohend auf Alicja. »Musst du Jule ständig mit ihrem Filmriss aufziehen?«
    »Wieso nicht?«
    »Das ist mies.«
    »Tja.« Alicja verschränkte die Arme. »Hätte sie den Höhepunkt meiner Hochzeit nicht vor dem Klo verschlafen, dann …«
    »Tu-tut mir … leid.« Jule zog den Kopf ein und ergänzte dankbar ›Toilettenauszeit‹ in ihrer

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