VIRALS - Jeder Tote hütet ein Geheimnis: Band 3 (German Edition)
froh, weil ich mich für einen » Jungen aus einer guten Südstaatenfamilie« entschieden hatte. Die Virals würde sie deshalb als Ergänzung meines Gefolges akzeptieren. Somit die klassische Win-win-Situation, oder?
Warum war ich dann immer noch so angespannt wie eine Banjosaite?
Wenn Mom nur hier wäre.
Ehe ich mich versah, liefen mir die Tränen über das Gesicht. Beinahe begann ich zu schluchzen. Irgendwie gelang es mir, die Trauer auf Armlänge von mir zu halten.
Das passierte manchmal. Aus heiterem Himmel traf mich der Kummer.
» Das reicht.« Ich wischte mir die Tränen von den Wangen.
Mom hätte die Oberflächlichkeit des Balls abgelehnt, aber sie hätte mir mit Freuden bei der Auswahl meiner Begleiter geholfen. Dabei hätten wir viel gelacht.
Ich erkundete den Ort in meinem Herzen, wo ihre Liebe gewohnt hatte. Und fand nur ein großes Loch. Beinahe hätte ich gleich weitergeheult.
Ich vermisse dich, Mommy. Jeden Tag.
Coop hing an mir wie ein Klettverschluss. Er stemmte die Pfoten auf meine Knie, katapultierte sich auf meinen Schoß und hätte beinahe den Stuhl umgeworfen.
» Ist ja gut!« Ich rutschte auf den Boden und schlang die Arme um ihn. » Du bringst uns noch beide um.«
Coop legte seinen Kopf an meine Brust. Ich schloss die Augen und streichelte seine Schnauze.
» Danke, Hund. Das habe ich gebraucht.«
KAPITEL 20
Am nächsten Morgen wartete ich an meinem Schließfach.
Ich war nicht mit dem Shuttle gekommen. Zahnarzttermin. Um sechs Uhr früh. Kit hatte mich gebracht.
Nach vierzig qualvollen Minuten mit Kratzen, Schaben, Polieren und Zahnseide wurde ich endlich begnadigt. Unablässig tastete ich die Zähne mit der Zunge ab, um zu überprüfen, ob noch alle da waren.
Ich hatte einen Plan. Zuerst würde ich Jason einladen. Um mich zu vergewissern, dass sein Angebot noch galt. Wenn er zusagte, würde ich der Reihe nach weitermachen: Ben. Shelton und Hi.
Falls Jason ablehnte, würde ich vor Peinlichkeit sterben. Danach würde ich Ben fragen, ob er mein Marshall sein wollte. Vielleicht würde er sich ohne Jason besser fühlen. Aber ich wollte nicht mit Ben über Jason reden, solange es nicht notwendig war.
Ich hatte Glück. Jason erschien vor den anderen im Gang.
Verlegen winkte ich. » Hast du einen Moment Zeit?«
» Klaro.« Jason kam zu mir herüber.
» Klaro?«
» Ich wollte es nur mal ausprobieren.« Jason lehnte sich an das Schließfach neben meinem. Er trug die Standard-Bolton-Uniform, doch mit einer der seit Kurzem erlaubten Krawattenalternativen: mitternachtsblau und mit winzigen weißen Greifen aus dem Wappen gesprenkelt. » Wollte mal wissen, wie es sich so anfühlt.«
» Irgendwie passt es nicht zu dir.«
» Stimmt.«
Ich öffnete den Mund und wollte meine vorbereiteten Sätze abspulen.
Jason begann zu reden, ehe ich eine Chance dazu bekam. » Ich möchte mich für mein Benehmen in der Cafeteria entschuldigen.« Seine Miene wurde ernst. » Ich weiß nicht, was Ben gegen mich hat, aber er ist zu weit gegangen. Das sollten wir nicht dulden. Solche Rangeleien sind sinnlos.«
» Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ben war blöd.«
» Ja, aber ich bin darauf angesprungen.«
» Er hat dir auch einen hübschen Köder hingeworfen.« Ich seufzte. » Ich rede mit ihm. Ben ist ein netter Kerl. Das können wir bestimmt klären.«
» Klärt es.« Jason schüttelte den Kopf. » Gut.«
Wieder dieser Blick. Was?
Jason hatte das Thema gewechselt. » Ich habe dem Kriminaltechniker eine Nachricht hinterlassen und ihm deine Handynummer gegeben. Okay?«
» Perfekt. Tausend Dank.«
» Na ja, wie gesagt, es dauert vielleicht ein paar Tage.« Jason sah auf die Uhr. » Es klingelt gleich. Was gibt es denn?«
Scheiße! So wie Jason zwischen den Themen hin- und hersprang, hatte ich keine Chance für eine gute Eröffnung.
» Debütantenball«, platzte ich heraus.
Geniale Überleitung!
» Ich weiß. Ist schon bald. Wird bestimmt großartig«, sagte Jason übermäßig beiläufig. » Wen nimmst du mit? Kenne ich ihn?«
Nein, Sir! Ich lasse mir nicht die Kontrolle über diese Einladung wegnehmen.
» Ich hatte gehofft, dein Angebot steht noch.«
Jason blinzelte. Sein Mund ging auf. Eine kurze Pause, dann: » Ja. Ja, natürlich.«
Seine Reaktion ließ Alarmglocken bei mir schrillen. Wollte er wirklich?
Das halbe Blut meines Körpers strömte in meine Wangen. Die Worte sprudelten heraus: » Du musst nicht. Ich meine, wenn du lieber nicht möchtest oder wenn du jemand anderes
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