VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
nächsten, deshalb bekam er den Schlag ab.
» Warum sollte ich dich auswählen?«, keifte ich. » Damit du wieder abhauen kannst, wenn mich jemand angreift?«
Jason wich verwirrt zurück. » Das konnte ich doch nicht wissen. Diese nervige alte Frau…«
Meine Hand schoss nach oben, schnitt ihm das Wort ab.
Zu viel für einen einzigen Tag.
Zu viele Jungs in meinem Leben.
» Ich muss los.«
Bevor Jason etwas entgegnen konnte, war ich aus der Tür.
KAPITEL 48
» Bist du sicher, dass alles okay ist?«
Kit stand in der Küche und sah ziemlich besorgt aus. » Ich wollte mit Whitney ins Kino gehen, aber ich kann ihr auch absagen.«
» Alles bestens.« Obwohl ich ziemlich durch den Wind war, durfte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Wenn Kit aus dem Haus war, stand der ganze Abend zu meiner freien Verfügung.
Doch er schien noch nicht überzeugt zu sein. » Willst du über gestern Abend reden? Ich weiß, wie erregt du warst. Hab gehört, wie du in deinem Zimmer mit dir selbst gesprochen hast.«
» Mir geht’s gut, Kit. Gib mir nur ein bisschen Zeit, alles zu verarbeiten.«
» Wenn’s weiter nichts ist.« Blödes Lächeln. » Ordne in Ruhe deine Gedanken. Dann kannst du mir nächstes Mal präziser entgegenschleudern, was dich bewegt.«
» Genau. Am besten, ich mach’s schriftlich und notiere alle Eigenschaften, die dich zu einem Idioten machen.«
» Super Idee.«
Kit griff sich seine Arbeitstasche und stapfte in Richtung Garage.
Noch ehe er die Tür hinter sich geschlossen hatte, tippte ich bereits in mein Handy.
***
Das Wohnzimmer hatte sich in zwei gegensätzliche Lager aufgeteilt.
Chance und ich waren auf der einen Seite. Ben, Hi und Shelton bildeten die Opposition.
Die Stimmung war ziemlich frostig.
Ich hätte den Virals gerne gebeichtet, dass ich Madison gegenüber einen schrecklichen Fehler begangen hatte, doch Chance’ Gegenwart machte das unmöglich. Ich musste warten, bis wir unter uns waren.
» Du willst, dass wir diesem Psycho vertrauen?« Ben weigerte sich, Chance direkt anzusprechen.
» Wir drehen uns doch ständig im Kreis«, entgegnete ich. » Chance kann uns zeigen, wo das Kreuz ist.«
» Und das werde ich auch tun«, bestätigte dieser. » Aber zuerst will ich wissen, was hier los ist. Warum ihr das Risiko auf euch genommen habt, mich zu befreien.«
» Das ist nicht Bestandteil des Deals.« Hi verschränkte die Arme. » Wir haben dich als Gegenleistung für das Kreuz da rausgeholt. Unsere Lebensgeschichten gehen dich nichts an.«
Chance ließ sich nicht beirren. » Was habt ihr für ein Interesse an dem Kreuz? Ihr habt doch die Auktionsliste gesehen. Besonders wertvoll ist es jedenfalls nicht.«
» Unsere Sache«, antwortete Shelton. » Du sollst uns nur zur Fischerhütte deines Vaters bringen.«
» Nein.« Chance verschränkte entspannt seine Finger. » Wenn ich irgendwas tun soll, was mich vielleicht in Schwierigkeiten bringt, dann will ich etwas mehr darüber wissen.«
» Wir lassen uns keine Bedingungen diktieren«, erwiderte Ben. » Sag uns jetzt, wo die Hütte ist.«
» Glaubst du etwa, du könntest mich zwingen?«
» Wartet!«, rief ich. » Jetzt beruhigt euch wieder und lasst mich nachdenken.«
Sekunden gespannter Stille.
» Wie wäre es damit?« Ich wandte mich an Chance. » Bring uns zur Fischerhütte deines Vaters. Zeig uns das Kreuz. Danach erzählen wir dir, was es damit auf sich hat.«
Shelton murrte. » Es gibt keinerlei Notwendigkeit…«
» Sonst wird er uns aber nicht helfen.«
Chance wiegte den Kopf, als würde er verschiedene Möglichkeiten gegeneinander abwägen. » Einverstanden.«
Shelton stieß die Luft aus. Ben verließ unter leisen Flüchen den Raum. Nur Hi schien zufrieden zu sein.
Wie auch immer. Unter den gegebenen Umständen war das alles, was ich hatte tun können.
» Abgemacht«, sagte ich. » Also: Auto oder Boot?«
Chance antwortete, ohne zu zögern. » Boot.«
***
Ben steuerte die Sewee vom Anleger fort. » Und?«
Chance zeigte in nördliche Richtung. » Sullivan’s Island.«
» Jedenfalls nicht so weit«, kommentierte Hi. » Eigentlich könnten wir auch schwimmen.«
Doch auch diese Bemerkung konnte die Stimmung nicht auflockern. Ben bekam seine Gereiztheit nicht unter Kontrolle, und Chance schien seinen Spaß daran zu haben, ihn zu provozieren. Streit vorprogrammiert.
An der Hafeneinfahrt passierten wir Fort Sumter, wo die ersten Schüsse des Amerikanischen Bürgerkriegs gefallen waren. Die Sonne versank im
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