VIRALS - Tote können nicht mehr reden - Reichs, K: VIRALS - Tote können nicht mehr reden
Organisch.
Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
Ich bürstete sanft. Eine Form wurde sichtbar. Längliche Streifen, in einem vertrauten Muster.
Mein Herz hämmerte. Mein Blick war wie gebannt.
»Okay, das waren fünfzehn Minuten.« Hiram legte das Sieb weg. »Ich bin fix und fertig.«
Ich starrte immer noch nach unten. Ben und Shelton ebenfalls.
»Tory?«, fragte Hi. »Du brauchst nicht traurig zu sein. Niemand macht dir einen Vorwurf. Wenn ich mich so gut mit Körpern auskennen würde wie du, hätte ich vielleicht dasselbe gedacht.«
Mir hatte es immer noch die Sprache verschlagen.
»Hey, Victoria Brennan!«, rief Hi. »Was ist los mit dir?«
Eine Wolke schob sich vor die Sonne und warf einen Schatten über den Ort, an dem ich kniete. Grillen zirpten. Mein durchgeschwitztes Shirt klebte mir am Rücken.
Nichts drang mehr zu mir durch. Ich war vollkommen auf die schmalen braunen Objekte fixiert, die sich vor meinen Füßen abzeichneten.
Ich zwang mich, die Wahrheit zu begreifen.
Ich hatte die zarten Glieder einer menschlichen Hand entdeckt.
KAPITEL 24
Ich erwachte aus meiner Trance.
Mein Kopf schnellte nach oben.
»Hier sind Knochen.«
»Wo?« Ben ließ seine Schaufel fallen und spähte mir über die Schulter.
»Ach du Scheiße! Du hast recht!«
Sheltons Reaktion war weniger männlich. Nachdem auch er sich von der grauenhaften Entdeckung überzeugt hatte, rief er: »Ein Grab, ein Grab!« und taumelte vom Rand der Grube zurück.
Hiram warf einen kurzen Blick und kotzte sofort los.
Beide sanken keuchend ins Gras.
Einzig Ben bewahrte einen kühlen Kopf. »Die Hand eines Menschen, oder?«
»Ja, ich bin mir absolut sicher«, antwortete ich. Was der Wahrheit entsprach. Ich hatte genug Darstellungen menschlicher Skelette gesehen, um zu wissen, wie Handwurzelknochen, Mittelhand und Fingerglieder aussehen.
»Dann rufen wir jetzt die Polizei«, sagte Ben mit größter Entschiedenheit. »Sofort!«
Pragmatismus bändigte meine heftigen Emotionen. »Du hast recht. Aber zuerst müssen wir ganz sichergehen.«
Ben nickte. »Und wie willst du das machen?«
»Ich möchte mehr sehen als Handknochen.« Ich atmete tief durch. »Ich will genau wissen, was hier begraben liegt.«
»Da finden wir eine Leiche und du willst einfach weitergraben?
« Sheltons Stimme überschlug sich fast. »Das ist doch totaler Wahnsinn.«
»Das ist jetzt Sache der Polizei!«, fügte Hi mit flehender Stimme hinzu. »Die machen uns die Hölle heiß, wenn wir hier die Privatdetektive spielen. Vor allem, wenn es wirklich diese Katherine Heaton ist.«
»Das steht noch nicht fest!«, gab ich bissig zurück. Seltsamerweise hatte ich den Drang, Hi wie einen Punchingball zu behandeln.
»Okay, okay.« Hi hob abwehrend beide Hände. »Dann graben wir eben ein bisschen weiter. Vielleicht ist es ja jemand anders.«
Shelton und Ben warfen mir verwunderte Blicke zu. Ich hatte Hi angefahren, obwohl er nur ausgesprochen hatte, was wir alle wussten.
Was sollten wir sonst finden?
Ich holte tief Luft. So unlogisch es auch war, ich wollte mir nicht eingestehen, dass Hi recht hatte. Noch nicht.
»Tut mir leid, Hi. Das war nicht fair von mir. Ich wollte nur ganz sichergehen.«
»Kein Thema«, entgegnete Hi. »Ich hab nicht nachgedacht, bevor ich geredet hab.« Doch er schien immer noch auf der Hut zu sein, wie eine Katze, die einen schlafenden Hund umkreist.
Ben und Shelton sagten kein Wort. Doch ihre Gesichter sprachen Bände. Auch sie waren davon überzeugt, dass wir Katherine Heaton gefunden hatten.
»Ich weiß, was ihr alle denkt«, sagte ich. »Lasst mich nur die Knochen begutachten.«
Skeptische Blicke.
»Ohne Beweis werden uns die Bullen nicht glauben«, sagte ich. »Jedenfalls nicht diese Tölpel aus Folly Beach. Wir
müssen das Grab und das Skelett und alles, was wir finden, fotografieren.«
»Wir könnten Beweisstücke zerstören«, sagte Shelton.
»Wir werden sehr vorsichtig sein und alles dokumentieren«, versprach ich. »Dann haben wir auch etwas in der Hand, falls die Affen das Grab verwüsten sollten.«
Widerstrebend willigten die Jungs ein.
Ich machte folgenden Vorschlag: Ben und ich würden innerhalb der Grube weiterschaufeln. Die Angsthasen konnten oben stehen bleiben. Shelton zog die Eimer nach oben, Hi würde mit seinem iPhone die Fotos machen.
Zwei Stunden unablässigen, behutsamen Grabens förderten ein vollständig erhaltenes Skelett zutage. Die Knochen waren so dunkel wie starker Tee, sahen aus wie Relikte
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